Das Pseudonym von Matthias Horx in »World of Warcraft« lautet Heilpriester Planetarius. Als man das ungefähr in der Mitte des Buches erfährt, ist man nicht mehr sonderlich überrascht. Hier ist jemand, der nach langer (und suggestiver) Rede mit forschem Gestus und angelsächsisch angehauchtem Optimismus seinem Leser auf die Schulter klopft und »alles Gute« wünscht. Lässt man sich auf sein »Buch des Wandels« ein, bleibt man zuverlässig von den großen Katastrophen verschont. Fast nebenbei soll sich beim Leser das wohlige Gefühl einstellen, Zigtausende Seiten Lektüre gespart zu haben. Nachfrager, Abwäger, Skeptiker, Kritiker – sie gehören allesamt der Gruppe der Alarmisten an. Das hat man endlich schwarz auf weiß. Daneben gibt es noch die mehr oder weniger gleichgültigen Stoiker und, nachdem diese Zweiklassengesellschaft wider Erwarten doch nicht ausreicht, kommen noch die Wandelhektiker à la Sloterdijk dazu, die nur mit Imperativen agieren und reglementieren können. Ein schöner Beleg dafür, dass Horx Sloterdijks Buch nicht verstanden hat. Aber wenn es nur das wäre…
Aber die Rettung naht. Horx’ Rezept ist ein bisschen vom Bildungs- und Politiksystem wie in Finnland (Allparteienregierung!), Eigeninitiative wie aktuell im krisengeschüttelten Island, ein Sozialvertrag à la Tony Blair, eine Prise dänischer Sozialstaat und holländisches Arbeitslosensystem. Zur Erbauung folgt vorher noch ein seltsam hölzernes »kreatives Manifest« (Welche Kraft ist es, die diese Welt, die Welt nach dem Industrialismus vorantreibt? Es ist die menschliche Schöpferkraft selbst, die Macht des menschlichen Geistes) – und fertig ist diese eigenartige Utopie einer utilitaristischen Gesellschaft, die zugleich Züge eines naiven Kinderglaubens enthält. Und trotz Ankündigungen über die Transformationen der Zivilisationen und großmauligem Gerede einer Politik jenseits des dritten Weges braucht man eigentlich nichts zu tun, außer weitermachen wie bisher – und das ist das Beruhigende für all die Zahnarztfrauen, Rechtsanwälte, stellvertretenden Abteilungsleiter und Stationsärzte, die dieses Buch im Urlaub lesen werden. Die Botschaft: Nein, wir machen nichts grundsätzlich falsch. Balsam für die durch den Virus des dunklen Denkens infizierte wunde und verunsicherte Wohlstandsseele. Schluss mit unlustig. Der Sollzustand der deutschen Kultur soll nicht mehr länger das tragische Unglück sein. Auf das die Piña Colada an der Bar des Rotary-Club wieder schmeckt. Und wer nach diesen »Visionen« noch Sloterdijk lesen möchte, muss Masochist oder einer dieser destruktiven Elemente sein.
Slums als Kaderschmieden. Krisen als Innovationsbeschleuniger
Der Autor ist durchaus eloquent in der Verteilung seines Beruhigungssirups mit der garantierten Komplexitätsreduzierungswirkung. So bezeichnet er beispielsweise Slums als echte Brutstätten des Wandels. Sie erzeugten höchste Produktivität. Und wie die Leute unterschiedlichster Ethnien miteinander auskommen! Diese soziale Integrationsleistung! Wo weiland Ernst Jünger in den Stahlgewittern des Krieges den neuen Menschen geformt sah, da entdeckt Horx (inspiriert durch einen Spielfilm) den Slum als Kaderschmiede für die »Tüftler« und »Bastler« der »Dritten Welt« (dem Tüftler gehört Horx’ Welt). Zur Beruhigung eines eventuell aufkommenden schlechten Gewissens hört man gerne, das Hunger und Not…keine Frage materieller Ressourcen mehr ist, sondern der Intelligenz, mit der wir unsere sozio-ökonomischen Systeme gestalten und, Achtung, moderieren. Und da kaum eine Floskel ausgelassen wird, heißt es dann auch noch: Armut ist dort bekämpfbar, wo wir hartnäckig Menschen helfen, sich selbst zu helfen.
In punkto Wirtschaftskrise wird ordentlich gegen den Strich gebürstet: Krisen sind das Fundament des technisch-ökonomischen Prozesses. Sie seien notwendig, ja heilsam. Ökonomische Blasen beschleunigten neue Technologien. So habe die Tulpenkrise im 17. Jahrhundert in den Niederlande beispielsweise für enorme Fortschritte in der Aufzucht von Pflanzen geführt. Die geplatzte »Eisenbahnblase« 1873 führte in Deutschland zur Erstarkung der Sozialdemokratie und Übernahme wichtiger Sozialreformen in die damalige Politik (ähnlich könnte man »argumentieren«, dass die Wiedervereinigung erst durch den Zweiten Weltkrieg »ermöglicht« wurde). Der Hype des Neuen Marktes 1999/2000 führte zwar seinerzeit zu einer überdimensionierten Dateninfrastruktur, die wir aber heute gerne verwenden.
Da werden die finanziellen und sozialen Verwerfungen und Nöte durch Krisen flugs zu Kollateralschäden eines höheren Ideals erklärt – dem Fortschritt. Es lohnt sich also, dafür seinen Arbeitsplatz und/oder Erspartes zu verlieren. Schließlich wird ja nur der Opportunist bestraft, der sein Geld und/oder Prestige am Mainstream ausrichtet. Statt Krisen zukünftig vermeiden, sollte man sie vielleicht noch schneller herbeiführen, um auf den Trümmern ein neues, prächtiges Gebäude zu errichten. Krise als Chance zum Neustart. Leider vergisst der Schmalspur-Schumpeter dass dieser Neustart Autonomie benötigt. Und wo die herkommen und dauerhaft eingerichtet werden soll, vergisst er auch.
Maya-Sound, Entenhausen und die Weisheit
Stattdessen möchte er den satten, nihilistischen Kulturkritikern, die uns mit Verzicht oder Rücksichtnahme belästigen, den Garaus machen. Die Ökonomisierung der Gesellschaft war unerhört erfolgreich, so der Heilprediger. Unsere Industriekultur basiert auf der Idee der Steigerung (das stimmt zwar, sagt aber rein gar nichts über dessen Berechtigung aus). Hochkulturen gehen immer dann unter, wenn sie sich nur oder zu intensiv mit sich selber beschäftigen und psychosoziale[n] Stress in einer ständig forcierten Symbolwelt produzieren. Das hat Horx zumindest bei den Maya herausgefunden, die er für den Inbegriff der untergegangenen Kultur setzt. Sogar bei Goebbels entdeckt er den Maya-Sound. Weitere »Belege« findet er wieder in zeitgenössischen Spielfilmen. Desweiteren werden die spanischen Eroberer zitiert (als seien diese objektiv gewesen), die Residuen einer Kultur beschreiben, die damals bereits untergegangen war. Und er bereitet uns schon mal auf das Jahr 2012 vor, welches einen Maya-Hype bringen soll.
Im Sauseschritt führt der Autor den Leser durch die letzten Jahrtausende der Menschheit. Vom Nomaden zum Bauern (Sesshaftigkeit produziert Überfluss, daher werden nomadische Kulturen letztlich negativ belegt) über Dschinghis Khan (er weiss, dass ein Zehntel der osteuropäischen Bevölkerung Gene vom großen Khan in sich tragen), die bereits erwähnten Maya, die italienische Renaissance bis zur Technisierung des 19. und 20. Jahrhunderts.
Nichts ist vor einem Kommentar sicher: Er doziert über Scheinriesen, erläutert die Irrationalität von Flugangst, skizziert die Dramatisierung von Depressionen in unserer Gesellschaft (die er allerdings – wie so viele – mit Melancholie verwechselt), sinniert über den Sinn und Unsinn von Klischees, Ideologien, Moral und Betroffenheitsgeboten. Er schreibt ein flammendes Plädoyer für die Weisheit (die er mit Gelassenheit vermischt), versucht sich an einer Philippika gegen die Romantiker (zu denen er auch Hitler, Mao und Stalin zählt), geißelt vehement die Tragödie des Allgemeinguts und das Kausalitätsdenken, welches uns so dominiert, plädiert für den Individualismus, paraphrasiert Enzensbergers These des »radikalen Verlierers« und erklärt damit den verlorenen Anschluss an die Moderne von muslimischen Gesellschaften und verfasst eine spieltheoretische Definition von Fortschritt. Und schon wieder erklärt jemand, warum Google eine tolle Firma ist und was GM in den letzten Jahren falsch gemacht hat. Horx besucht Entenhausen, versucht sich am Gefangenendilemma und weiß, dass Flugverkehr funktioniert, weil es Figuren wie Dr. House gibt.
Rhetorische Windmaschine
Das Buch ist mit Plastikwörtern nur so gespickt. Das soll vermutlich »zeitgemäß« wirken, wie es im Klappentext heißt. Oft genug entpuppen sich die gedrechselten Wortkaskaden bei näherem Hinsehen allerdings entweder als wichtigtuerische Deklamationsrhetorik oder einfach nur als Worthülsen, die nach kurzem Genuss wie abgenagte Knochen auf dem Teller liegen.
Da heißt es, antike Imperien hätten sich mit einer Art »Madoff-Strategie mit Menschenkraft« erhalten. Das Römische Reich funktionierte wie ein Franchise Unternehmen. Wien war Anfang des 20. Jahrhunderts ein brodelndes New York. Manchmal ist es arg komisch: »Kultur« ist nichts anderes als eine stabile »Feedback-Schleife« zwischen »mir« (meiner Gruppe), meinen inneren symbolischen Regeln und Theoremen, den Handlungen und der Umwelt. Horx weiß, dass das Tüftler-Deutschland des 19. Jahrhunderts sich eine Pole-Position des Fortschritts sicherte. Er erzählt, dass aus Hobbits…Morlocks werden können (Jekyll/Hyde). Die 1968er waren Hot-Spot[s] des Wandels. Die Zivilgesellschaft heißt soziales Kapital. Irgendwo gibt es plötzlich Hogwarts. Konsumenten werden in NOsument und PROsument unerschieden. Intelligente Menschen streiten nicht, weil sie komplexer denken (man könnte mit gleicher Verve auch das Gegenteil behaupten). Gezeigte Empathie heißt kommunikative Reziprokität und Barack Obama ist ein Präsident nach dem Prinzip Sesamstraße. Nichts und niemand sind vor diesem gnadenlos niedergehenden Verballhornungs-Holzhammer sicher.
Horx’ zweites Hobby ist die Plünderung dessen, was er am Ende Systemwissenschaften nennt. Ständig protzt er mit neurobiologischen, biochemischen und kognitionswissenschaftlichen Floskeln, die gelegentlich recht eigensinnig interpretiert werden. Da wird die Finanzkrise 2008/2009 zum evolutionären Auslesepunkt, an denen die Unternehmen mit geringer Adaptivität und hohen Transaktionskosten »ausgelesen« werden. Man lernt, Unternehmen seien menschliche Öko-(im Sinne von griechisch oikos, das Haus)Systeme. Da wird »erklärt«, was im medialen präfontalen, im dorsalen und im anterioren cingulären Cortex zu finden ist. Der Leser erfährt, dass das Weiße im Auge…das Selektionsmerkmal unserer Kooperationsfähigkeit ist. Schon kritischer ist die Verwendung von Richard Dawkins’ (umstrittenen) Begriff der »Meme«, den er der einfach synonym für »Überlieferungen« setzt (Horx sieht, vermutlich durch den schlechten Einfluss diverser Kulturpessimisten, permanent das zerstörerische Maya-Mem über seine schöne Konsumwelt kreisen). Vollends bedenklich wird dieses Vorgehen beim Terminus des »Copings«, der als biochemisch-hormonell entstehende Belohnungskaskade interpretiert wird, mit der euphorische Gefühle nach überstandenen Herausforderungen produziert werden. Tatsächlich wird Coping in der Wissenschaft als umfassende Bewältigungsstrategie bei besonders gravierenden Lebensveränderungen oder krisenhaften Situationen vollkommen anders definiert. Und irgendwann steht dann – dank Horx – die kräftige Überarbeitung des darwinistischen Weltbildes an. Drunter geht’s nicht mehr.
Munition für Partylöwen
Geradezu lustvoll werden alle möglichen natur- und geisteswissenschaftlichen Schlagworte der letzten Jahre miteinander verquirlt und mit einer gehörigen Portion »personal touch« garniert (was naturgemäss weniger Angriffsfläche bietet). Dabei darf man nicht zu genau hinter die Kulissen schauen, ansonsten hört man das Knirschen im Getriebe allzu deutlich. Zur Munitionierung diverser vulgär-gesellschaftlicher Ereignisse (Grillpartys, Vernissagen, Betriebsfeiern oder Sommerfeste) ist dieses Buch besonders für die notorischen Sprücheklopfer und Alleswisser, die bei solchen Veranstaltungen zwangsläufig auch präsent sind, ein ergiebiger Steinbruch.
Es gibt durchaus interessante Ansätze, die aber im sprudelnden Geplapper untergehen. So kommt er mit 25 Zeilen aus, um ein durchaus interessantes Konzept der europäischen bzw. weltweiten Drogenfreigabe vorzustellen. Tatsächlich ist es selten, dass Matthias Horx’ Thesen vollkommen falsch sind. Zwar ist beispielsweise die Hauptstadt von Tansania schon lange nicht mehr Dar-es-Salaam. Oder Kants »Idealismus« in die Nähe von »Ideologien« zu rücken, weil beide Wörter denselben Wortstamm aufweisen, ist albern. Aber das ist nicht so wichtig. Horx hat durchaus ein Anliegen: Er will zeigen, dass Wandel von Gesellschaften kein Bedrohungsszenario per se beinhalten muss. Hierfür unterscheidet er didaktisch klug sehr früh zwischen Wandel und Veränderung. Veränderung ist ein externer Prozess, sie entsteht aus Zwängen, ökonomischen Prozessen oder technischen Trends, die »über uns kommen«. Wandel dagegen beginnt…dort, wo wir durch einen Prozess der freien Wahl, der aufsteigenden Freiheit, des wachsenden Bewusstseins uns selbst zu verändern beginnen. Später wird er präziser: Das, was wir »Wandel« nennen, ist nichts anderes als das Resultat gelungener ‘Synchronisationsarbeit’ zwischen…Ebenen der menschlichen Kultur. Das Kultur- und Kommunikationssystem passt sich den Veränderungen der Ökonomie an, die Politiksysteme müssen den Arbeitsteilungen, die Werte den Menschenbildern, die Organisationsformen den Produktionsweisen folgen.
Diese Aussage verdient es genauer betrachtet zu werden. Zunächst einmal ist die Frage, wer feststellt, ob die Synchronisation »gelungen« oder gescheitert ist. Hierzu schweigt Horx – der seriöse Versuch der Beantwortung dieser Frage würde es zwingend erfordern, den anekdotisch-plaudernden Onkelton abzulegen und sich nicht nur mit markigen Begriffen zu parfümieren, sondern diese in ein stringentes Argumentationssystem zu überführen. Das ist aber gar nicht gewollt.
Der Meister des Sowohl-als-auch
Interessanter ist, dass mit dieser Darstellung ein grundlegender Paradigmenwechsel vorgenommen wird (auch so ein Plastikwort – man könnte auch sagen: es wird der Blickwinkel verändert): Nicht der Mensch bestimmt die Prozesse – die Prozesse dominieren die Handlungen der Menschen. So heftig Horx dem Opportunismus das Wort redet – am Ende wird der Mensch dann doch zum Mainstreamschwimmer, sobald es um einen (imaginär korrekten) Wandel geht. Horx weiter: Zu jeder Technik gehört eine adäquate Soziotechnik, zu jeder Ökonomie eine Kulturtechnik – und vice versa. Es kann vorausgesetzt werden, dass dies nicht deskriptiv sondern durchaus progressiv gemeint ist.
Weiter heißt es: Es sind die existentiellen Probleme, die Menschen zu Innovationen und Verhaltensvarianten zwingen. Es sind die spezifischen Gene des Menschen, die ihn dabei zu Reaktionen befähigen, die sich von tierischen Reflexen unterscheiden. Ob die Veränderung jedoch dauerhaft gelingt und so zu einem echten Wandel wird, das hängt von den Memen ab, den kulturellen Mustern und Verhaltensweisen, die sich in menschlichen Gemeinschaften auf dem Wege der Erfahrung, der Erkenntnis und der Kommunikation bilden.
Einerseits heißt es, Wandel ist Veränderung in Freiheit – andererseits wird der Mensch gezwungen. Ein Widerspruch – wie so viele in diesem Buch. Kaum etwas hat über die ganze Distanz Bestand. Matthias Horx ist ein Meister des unverbindlichen »Sowohl als auch«. James Watts kritisches Denken führte erst dazu, dass die Dampfmaschine optimiert wurde. Plötzlich wird der vorher verteufelte kritische Geist oder die Reflexion positiv konnotiert. Existentielle Probleme befördern laut Horx den Wandel – aber wehe Kulturkritiker antizipieren diese Probleme. Das wird nonchalant als das Große Dagegensein bezeichnet. Die einzige Stringenz in diesem flatterhaften Buch: Wer die Existenz globaler politischer, ökologischer und ökonomischer Problemstellungen leugnet oder verniedlicht, kann seine Hausgötter Fortschritt, Wachstum und Konsum unangetastet lassen. So werden aus den (Mit-)Verursachern krisenhafter Entwicklungen paradoxerweise die Retter.
»Wandel« bedeutet bei Horx ein systemimmanentes Herumdoktern an Symptomen. Das wäre nicht schlimm, wenn der Begriff nicht laufend etikettenschwindlerisch überhöht verwendet würde. Im vorletzten Satz wird dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. Das alte Projekt der Aufklärung sei nicht tot säuselt Horx plötzlich und bedeutungsschwanger wird ergänzt: im Gegenteil. Für jemanden, der auf fast dreihundertfünfzig Seiten so ziemlich das Gegenteil von »Aufklärung« betrieben hat, ist dies ein erstaunliches Bekenntnis.
»Keiner verlässt den Saal, der keine konstruktiven Vorschläge gemacht hat!« Das könnte so etwas wie die zentrale Politparole der kreativen Gesellschaft sein so einer dieser Binsenweisheiten dieses Buches. Und es ist diese Pseudo-Bauernschläue, die all diesen handlichen, aber letztlich nichtssagenden Gemeinplätzen anhaftet, die auf Dauer unbefriedigend ist. Irgendwo war zu lesen, Matthias Horx sei einer der einflussreichsten Zukunftsforscher Deutschlands. Sollte das stimmen, wird einem nach der Lektüre erst recht angst und bange.
Die kursiv gesetzten Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch.
Horx enttäuscht offensichtlich nicht
Jedenfalls entnehme ich dieser Rezension, dass er sich treu bleibt.
Matthias Horx ist meiner Ansicht nach deshalb einer der einflussreichsten Zukunftsforscher Deutschlands, weil er im Grunde genommen Trendforscher ist – also sozusagen im erweiterten Feld der Markforschung arbeitet und sich auch des entsprechenden Jargons bedient.
Tröstlich ist dabei allerdings, dass Zukunftsforscher an sich wenig einflussreich sind, bzw. meiner Ansicht nach bei politischen und ökonomischen Langszeitplanungen eine eher dekorative Funktion haben.
Wenn ich spannende Zukunftsvisionen lesen will, greife ich jedenfalls lieber zu einem Science Fiction-Roman.
Ich kannte ihn nicht (und die Wege werden sich vermutlich nicht mehr kreuzen, was Herr Horx sicherlich ganz gut überstehen dürfte).
In der Tat hatte ich mehrmals den Wunsch, stattdessen einen vielleicht ganz irren Science-Fiction-Roman zu lesen (obwohl ich diese Art der Literatur nicht besonders mag).
Dr. Murx’ gesammelte Weisheiten
Ich hab ihn mal „live“ erlebt, auf den (seinerzeit) Hamburger Trendtagen, da, wo die „Kreativen“ sich ihrerseits mit Trends und deren Formulierungen für ihre zahlende Kundschaft munitionieren lassen.
Diese nobel-müde Blasiertheit, diese freundliche Durchblicker-Herablassung samt neo-schamanistischem Heilsversprechen muss ihm erst mal einer nachmachen! Sein Spiel-Pseudonym verrät ihn wirklich. Keiner führt diese Selbst-Positionierungs-Kompetenz überzeugender vor! Ihm gehört die Zukunft! Nichts braucht der Mensch heute mehr als Ratschlag! (Und man verdient nicht schlecht...)
In diesem neo-schamanistischen Heilsversprechen(wunderbar!) sehe ich zum Teil seinen Erfolg: Gute-Laune-Onkel haben in Zeiten der unablässlichen Kultur- und Zivilisationskritik Konjunktur. Das sollte auch den Kritikern (die ja nicht im Unrecht sind) zu denken geben.
(Dass Horx nicht dere inzige ist, der Sloterdijk nicht versteht, ist natürlich klar. Dieser versucht es nämlich anders. Aber »populär« ist das auch nicht.)
Mal wieder...
... eine ganz herausragende Rezension, zu der es natürlich noch viel anzumerken gäbe. Ich hoffe, ich finde bald die Zeit dazu.
ich persönlich halte einen topmanager nicht per se für intelligenter
als einen arzt, physiker, komponisten oder halt einen sehr gut ausgebildeten akademiker, mal so grob gesagt.
vielleicht ist jener als meist ausgebildeter ökonom mit etwas konfrontiert, was womöglich fast so spekulativ ist wie metaphysik.
was fügt sloterdjik dem dazu ?
ein in die verikale gekipptes zarathustra-bild ( seilmetapher ) oder
ein ins allgemeine postuliertes asketisches ideal verbrämt mit einer
durchhalteparole eines permanenten wiederholenmüssens, eines übens ?
ich las »du musst dein leben ändern« nicht, denn irgendwie wittere ich
da erst recht ein spiel mit wortblasen für grillparties oder gar ein zynisches sinnstiftungsangebot für hartz4aldifoodtreffer – wer soll also warum in askese gehen?
dass sie grillparties u.ä. als vulgär bezeichnen, gefällt mir nicht.
wo fängt beliebigkeit eigentlich an, missliebig zu werden ?
wenn sie sich von der vermeintlichen erhabenheit rundumschlägerischer abstraktion löst und klartext redet.
wenn dann fallen wohl sowohl horx als auch sloterdjik in die beliebigkeitsfalle
... vermutlich.
@wavefeater
Sie haben meinen Text zu Sloterdijk gelesen?
gestehe : eher flüchtig als vertieft ..
und daneben zwei weitere rezensionen, eine von ihnen dort verlinkte
> ‘Der anthropotechnoartistischsannyasketologische Wunschpunsch’ und eine weitere bei tim boson ( welche ich recht geschmackvoll verfasst fand ) aber wie in der titelzeile angedeutet, alles mehr oder weniger überflogen – desweiteren las ich sloterdjiks wirklich lustig formulierten aufsatz über lethargokratie etc ( cicero / aufbruch der leistungsträger )
ganz kurz – irgendwie werde ich nicht recht schlau draus und deshalb
bin auch schwer auf ein vermuten angewiesen und suche dahingehend
auch keine meinungsbattle oder ähnliches.
allerdings muss ich dazu sagen dass mich, insofern ich gewissenhaft
philosophieren wollte sowohl einem anarchosyndikalistischen ansatz
nachginge wie auch einem zentralen heterarchie-gedanken ala guattari
deleuze / rhizom und mich vielleicht fragte, ob das intenet nicht schon
geeignet wäre, utopstisch anmutende gesellschaftspolitische skizzierungen in konkretion ( dann welche ) übersetzbar ( einlösbar ) zu machen.
da man allerdings mit so etwas recht isoliert dasteht ist mein fokus eher auf beliebige kunst gerichtet.
deshalb sorry dass ich gerade postete, irgendwie läuft so was ja eh später in sowas wie »über sinnhaftigkeit oder notwendigkeit von eliten« rein und wenn dann kann ich nur sagen : ich akzeptiere gerne sowas wie geistige elite, wirtschaftliche ... nicht.
Ich halte von allzu oberflächlichen Betrachtungen, die sich zudem als Stichwortgeber der eigenen Lieblingsthesen ausgeben, sehr wenig. Eigentlich rein gar nichts. Man ist dann schnell auf Horx-Level.
ist
mir eigentlich klar, diese ihre intellektuelle noblesse.
Wenn Genauigkeit nur zur Spielart verkommt, wird aus Adorno ganz schnell die »Bild«-Zeitung.
Ihre merkwürdigen Vorwürfe greifen ins Leere, da ich nichts studiert habe. Und dies auch nicht beabsichtige. Schätzen Sie ruhig weiter. Oder auch nicht.
sorry
wollte bestimmt keine trittbrettfahrerei oder parasitäres betreiben, deshalb löschte ich auch meine phrasen ad adorno pp.
sorry poste hier in zukunft nur noch insofern ich ihr genauigkeitsdiktum meinerseits für erfüllbar halte.
angenehmen abend ...
Trackback Intelligentsia
Sie kannten den Blender Horx bisher noch nicht? Das spricht für Sie.
Ich erinnere mich zumindest nicht.
Hier eine andere Besprechung (etwas elaborierter und vor allem kürzer) und hier ein Interview mit dem Meister. Beides kannte ich vor der Besprechung nicht. Das Interview zeigt deutlich Horx’ »Argumentation«.