Seit Donnerstag bin ich ein Möchtegernbesserwisser. So ganz offiziell. Sagt ein Grimme-Preisträger. Der Stefan Niggemeier. Der muß es ja wissen. Der sieht ja ständig die Splitter in den Berichten der Anderen. Ich weiss noch nicht, ob irgendwo eine Preisvergabe stattfinden wird oder ob es einen Orden gibt. Wenigstens eine Urkunde? Meine Mitpreisträger haben auch noch keine Nachricht erhalten. Wir sind ganz aufgeregt. Ich habe noch nie einen Preis bekommen.
Und das kam so. Vorgestern hat der Stefan Niggemeier so einen schönen Beitrag geschrieben. Und da haben drei, vier Leute geschrieben, dass sie es komisch finden, warum man in den deutschen Medien immer »Bombay« liest. Sicher, die Menschen dort haben andere Probleme. Nicht erst seit diesen Terroranschlägen. Die Stadt hiesse aber Mumbai. So ganz offiziell. Den Hinweis fand Stefan Niggemeier ganz toll. So richtig investigativ.
So, wie er manchmal seine Beiträge schreibt. Diesen hier oder hier oder hier, auch das oder das. Vorbild war für mich jetzt das und das.
Stefan Niggemeier findet es nämlich albern, wenn man seine Leser ignoriert und nicht auf die Fehler, die man macht und von Lesern aufmerksam gemacht wird, reagiert. Er findet zum Beispiel sueddeutsche.de albern. Er findet es auch albern, Myanmar Myanmar zu nennen. Birma klingt genau so schön. Ist eben zigfach verständlicher und wird von dpa, AP, AFP und reuters in ihren deutschsprachigen Meldungen gewählt. Oder Leningrad? Ist doch viel verständlicher als Sankt Petersburg. Die englischsprachige Presse findet Niggemeier nicht so gut, weil die nicht so verständlich schreiben. Die schreiben nämlich Mumbai. Es ist ja schön, wenn die deutschen Agenturen mal was richtig machen. Und der Springer hat ja auch immer »SBZ« gesagt, dann »sogenannte ‘DDR’ «, dann »DDR« 1987 und seit 1987 noch zwei Jahre DDR.
Der Stefan Niggemeier findet es super, wenn die Deutschen für die Leute in Mumbai kämpfen, damit die auch Bombay sagen dürfen. Obwohl das ja ein bisschen deutsch ist. Immer so »korrekt«. Meine Schwiegermutter sagt auch immer noch Wehrmacht. Und manchmal Mark. Die möchte auch, dass man in den Nachrichten immer noch die Mark-Beträge mit angibt. Vielleicht sagt der Stefan Niggemeier den Agenturen das mal. Wäre doch viel verständlicher für meine Schwiegermutter.
Ich lass das jetzt mit dem kommentieren bei Stefan Niggemeier. So ein toller Rechthaber wie er werde ich doch nie. Das muß man neidlos anerkennen.
Sprache lebt
Naja, so impulsiv wie der SN in seiner Antwort reagiert hat, so reagierst du doch manchmal auch.
Und was die Namen betrifft: Alle Umbenennungen von Orten oder Ländern verfolgen politische Ziele. Wenn man aber außerhalb dieses Kontextes agiert, sind die politischen Ziele unter Umständen weniger wichtig, hier zählt mehr, dass man sein Gegenüber versteht. In Thailand heißt Myanmar übrigens weder so noch Birma sondern immer noch Burma. Die meisten Burbirmyanmesen werden diese Transliterationen sowieso nicht verstehen, weil sie ihre Heimat noch ganz anders bezeichnen.
Als ich vor langer Zeit in Rumänien war, haben die dort lebenden Deutschen ganz selbstverständlich Herrmannstadt und Kronstadt gesagt, nicht Sibiu oder Brasov. Vor zwei Wochen habe ich mit meiner Geigenlehrerin über ihre Heimat gesprochen, sie ist Slowakin. Wir haben dann auch über die Tschechoslowakei gesprochen. Heute getrennt in Tschechien und Slowakei. Zwei der Namen enden auf »ei«, wenn man aber gleichlautend Tschechei sagt, bekommt man aus Gründen der PC einen auf den Deckel. Und ich sagte brav Brno, sie ganz selbstverständlich Brünn.
Man darf meines Erachtens Exonyme nicht mit Umbenennungen verwechseln. Natürlich kann man Breslau sagen statt Wroczlaw oder Brünn statt Brno. Man kann so auch umgangssprachlich so reden; das mache ich ja selber.
Und natürlich verfolgen solche Änderungen politische Ziele. Sieht man ja an Karl-Marx-Stadt – jetzt Chemnitz. Nachrichtenmedien haben aber m. E. nicht dahingehend »gegen zu politisieren«, dass sie schlichtweg solche Umbenennungen ignorieren und zu Gunsten einer ominösen Verständlichkeit, die nur eigene Bequemlichkeit ist, vorgehen.
Natürlich nennt ein Amerikaner München »Munich« (weil es dafür einen entsprechenden Anglizismus gibt). Wenn München jedoch aus irgendwelchen Gründen mal in »Ude-Stadt« umbenannt würde (oder »Franz-Josef-Strauß-Stadt«), dann muss man dem »offiziell« folgen, ob man will oder nicht (umgangssprachlich bleibt das natürlich noch drei Generationen München oder Munich.)
Aber darauf kommt es eigentlich nicht an. Wenn jemand auf seinem Blog oft minimalste Fehler geisselt und zu Grundsatzfragen aufbauscht, muss man in bestimmten Sachen auch eine gewisse Konsequenz an den Tag legen. Und wenn man Kommentare zulässt, die dann mal vom üblichen Bild der Heiligenverherung oder stammtischhaften Beschimpfung absehen, dann erwarte ich einen anderen Umgang. Aber natürlich hat der Hausherr das Recht, die ungewünschten Partygäste rauszuwerfen.
Bei Stefan Niggemeier hat vorhin jemand einen sehr interessanten Kommentar dazu abgegeben und auf diese durchaus interessante und aufklärende Seite bei Wikipedia verwiesen. Womit der Streit auch noch nicht wirklich entschieden wäre.
Aber vielleicht hilft es ja bei dessen Entschärfung...
Bedauerlich.
Wenn auch nachvollziehbar.
(Ihre Ankündigung, dort nicht mehr zu kommentieren)
@heinzkamke
Niggemeiers Kommentatorenbank ist prall gefüllt. Da kommt es auf einen mehr oder weniger doch gar nicht an.
Das sehe ich im Sinne der dortigen Diskussionsqualität anders.
Aber es liegt mir fern, Ihre Entscheidung in Frage zu stellen.
»Das sehe ich im Sinne der dortigen Diskussionsqualität anders.«
Dito.
»Aber es liegt mir fern, Ihre Entscheidung in Frage zu stellen.«
Mir nicht. Könnten Sie sich das nochmal überlegen, Herr Keuschnig? Im Sinne der dortigen Diskussionsqualität z.B.?
#2
Ich würde das an deiner Stelle deutlich entspannter sehen. Das ist doch wieder ein Fall, wo Meinung und Person nicht getrennt betrachtet wurden. »Möchtegernbesserwisser« ist eine persönliche Beleidigung, das sollte man dem SN in einem Antwortkommentar durchaus schreiben. Aber das verbessert oder verschlechtert seine übrigen Texte und Kommentare nicht, weil Wahrheit und Qualität eines Beitrags nicht von den Charaktereigenschaften eines Autors abhängen. Man muss einen Autor nicht mögen, um seine Gedanken interessant und kommentierenswert zu finden. Erst wenn sich die negativen Reaktionen häufen, sollte man es lassen – aber dann hat aus der eigenen Sicht zuvor ja auch das Inhaltliche sicher schon gelitten.
Was Breslau, Brünn, Herrmannstadt und Kronstadt anbelangt: Hier schreckt man als Deutscher zurück, weil man nicht weiß, ob das nicht belastete Bezeichnungen aus der Nazizeit sind.
Witzigerweise habe ich bei Mumbai zunächst nicht an Bombay gedacht, erst die sprachlich gemischte Berichterstattung hat dann bei mir den Zusammenhang hergestellt. Ich hätte gewettet, dass die Umbenennung etwas mit dem »Abschütteln des kolonialen Jochs« zu tun gehabt hat, aber der entsprechende Abschnitt in der Wikipedia gibt in dieser Beziehung keinen Hinweis.
Dieselbe Diskussion gab es schon mal bei Myanmar, Birma, Burma. Da war sie genauso wenig ergiebig. Wenn man sich auf so etwas fixiert, dann verliert man die eigentlichen Vorgänge aus den Augen. Und die sind doch katastrophal genug. Die Reaktionen in den Medien sind es übrigens auch. Da wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Indien etwa viermal weniger Sicherheitskräfte hat als andere Länder. Nur, was hätte eine größere Zahl an Polizisten in dieser Situation ausrichten können? Die ganze Fixierung in Bezug auf den Terrorismus, mit mehr Gewalt das Problem lösen zu können, führt völlig in die falsche Richtung. Im Fall des Islamismus muss man nach den Ursachen forschen und wie man sie langfristig beseitigt.
Köppnick, Du weisst, dass ich Deinen Gleichmut und Deine entspannte Sicht schätze, auch wenn ich das nicht immer nachvollziehen kann, geschweige denn selber anwenden. Dieses Unvermögen meinerseits dürfte übrigens einer der Gründe sein, warum ich es schätze.
Ich betrachte »Möchtegernbesserwisser« nicht als persönlichen Angriff, sondern als Standpunkt. Der ist in Ordnung; diese Meinung kann er haben und soll er auch sagen.
Seine Beiträge sind deswegen nicht schlechter oder besser als vorher. Ich sehe nur eine grosse Diskrepanz zwischen dem Anspruch, den er an andere und auch an die Kommentaroren hegt (letzteres mehr oder weniger unausgesprochen; er mischt sich eher selten in die Diskussionen ein) und dem, wie er selber Themen einsetzt und bewertet.
In diesem Fall ist es ihm wichtig zu zeigen, dass ein Bild, welches im Kontext mit den Terroranschlägen in Mumbai gezeigt wird, eine Woche vorher bei einer ganz anderen Gelegenheit gezeigt wurde. Im Grunde genommen erhebt er den Vorwurf der Bilderfälschung. Dieser Vorwurf ist primär korrekt. Und das ist das Thema.
Jetzt kann man sagen – auch und gerade als Blogbesitzer -: Leute, bleibt beim Thema. Das heisst: Thema ist nicht Mumbai / Bombay, Thema ist nicht der internationale Terrorismus, Thema ist nicht die fragile Lage des Vielvölkerstaates Indien, usw. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass solche »Themenbeschränkungen« nicht besonders gut funktionieren.
Man könnte mit der gleichen Verve sagen, dass der Nachweis der blödsinnigen Bebilderung in den Onlinemedien ebenfalls albern ist. ich empfinde das sogar als höchst albern. Aber SN ist gezwungen, ständig neues Material für seinen Blog zu produzieren. Da kann doch eine solche Albernheit wie es nun einmal diese Symbolfotos sind, auch entspannend auf die Leser wirken. Als nichts anderes sehe ich das. Vielleicht sieht man mir aber einfach nach, dass ich Namen nicht immer nur für »Schall und Rauch« halte (huch, jetzt bin ich auch noch gegen Goethe; der Grössenwahnsinn!). Ich finde das eigentlich ein interessantes Thema: Wo ist es PC, wo ist es Ignoranz und Dummheit, wo ist es bewusste Provokation (SBZ), usw.
Und natürlich kann man über die affektgesteuerte Berichterstattung in den Medien über diese Terroranschläge sprechen. In einem Medienblog allemal. Aber dazu bedarf es mehr, als nur ein Bild ins Netz zu stellen.
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PS: Im Grunde ist die Begründung, etwas albern zu finden, albern. Ich denke dabei an Reich-Ranicki, der in der letzten FASZ die Frage gestellt bekam, wann bzw. woran er merke, dass ein Buch nicht gut ist (sinngemäss). Sinngemäss antwortete Reich-Ranicki: ‘Wenn es mich langweilt’. Das ist – in diesem Sinne – Reich-Ranicki Niveau. Ich sehe ein, dass das bequem ist. Aber nicht mehr.
»Sagt ein Grimme-Preisträger. Der Stefan Niggemeier. Der muß es ja wissen. Der sieht ja ständig die Splitter in den Berichten der Anderen. Ich weiss noch nicht, ob irgendwo eine Preisvergabe stattfinden wird oder ob es einen Orden gibt. Wenigstens eine Urkunde? Meine Mitpreisträger haben auch noch keine Nachricht erhalten. Wir sind ganz aufgeregt. Ich habe noch nie einen Preis bekommen. (...) der Stefan Niggemeier...«
Das ist nicht Ihr bisheriger guter Stil, Herr K.
Schade.
»Stefan Niggemeier. So ein toller Rechthaber wie er werde ich doch nie. «
Sie möchten das?
Scheint so, denn man hat in diesem (nur in diesem) Fall den Eindruck: Wer nicht »Mumbai« sagt, ist ein Rechthaber.
Absurd.
Tja, so unterschiedlich kann man das eben auffassen.
Und was den Stil angeht...nein, lassen wie das lieber.
Wenn Dich Niggemeiers Inkonsequenz stört, dann spricht das doch für eine Thematisierung auf seinem Blog, oder?
Ist aber der »Möchtegernbesserwisser« Ursache des Unmuts, kann ich das »Schmollen« zumindest nachvollziehen.
Oder spielt am Ende beides eine Rolle?
Ich kann SN nicht vorschreiben, was er auf seinem Blog thematisiert. Ausserdem findet er das Thema »albern« und hat das mit seinem Kommentar zum Ausdruck gebracht, dass er meine Bewertung entsprechend einstuft. Was soll ich dazu noch sagen?
Mit Thematisierung habe ich Kommentierung gemeint.
Ich habe eure Diskussion nicht verfolgt, aber vielleicht hat er das Thema deshalb als albern empfunden, weil er bestimmte Aspeckte schlicht und ergreifend übersehen hat (z.B. dass er selbst oft genauso [über?]genau ist). Wäre doch möglich.
Wirklich schade
Mir werden Ihre oft sehr geistreichen Einwürfe auf Stefan Niggemeiers Blog fehlen, Herr Keuschnig. Einige, denen es ähnlich geht, werden vielleicht ab jetzt häufiger beim »Begleitschreiben« vorbeischauen, aber darauf würde ich nicht wetten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass einige von Niggemeier als bloggenswert eingestufte Themen in Ihrem Blog nicht vorkommen, obwohl Ihre Kommentare in Niggemeiers Blog nahelegen, dass Sie sehr wohl etwas (und nicht wenig) dazu zu sagen hätten.
Persönlich finde ich weder Niggemeiers ungewohnt zickigen Kommentar noch Ihre Reaktion darauf nachvollziehbar. Das mag damit zusammenhängen, dass ich in der Frage, ob nun »Mumbai« oder »Bombay« das Toponym der Wahl sein sollte, keine ausreichende Relevanz erkennen kann, die eine emotionsgeschwängerte Eskalation der Diskussion rechtfertigen könnte. Zugegebenermaßen ist »Mumbai« der offizielle Name der Stadt (und sollte darum nach Möglichkeit präferiert werden). Wenn jedoch weiterhin der alte Name Verwendung findet, dann ist das nicht der Untergang des Morgenlandes.
Natürlich werden hier weniger Leute vorbeischauen, denn es gab viele Klicks aufgrund der Kommentare (von den drei, vier Verlinkungen in Niggemeiers Blog erst gar nicht zu reden). Da ich dieses Blog jedoch voraussichtlich eh langsam auslaufen lassen werde (die Zahl der regelmässigen Leser ist sehr, sehr übersichtlich), nehme ich das hin.
Und natürlich geht von Bombay statt Mumbai nicht das Morgenland unter. Seine Reaktion zeigt allerdings, was er von den Kommentaren (und Kommentatoren) letztlich hält. Natürlich kann einem dieses Thema langweilen, aber ob Cem Özdemir nun ein Handtuch in der Sauna trägt und dies von einer Nachrichtenagentur korrigiert wird oder nicht – das finde ich vergleichweise noch unsinniger. Ich sehe natürlich ein, dass SN seinen Blog immer weiter füttern muss (jetzt hat er noch einen mehr), und da kann man nicht ständig auf hohem Niveau agieren.
Entscheidend war für mich sein Kommentar einen Tag später. Aber lassen wir das.
Ja, der zweite Kommentar von Stefan ...
hat gesessen. Ich kann vieles in diesem Post nachvollziehen, auch wenn es – mit Verlaub – ein wenig eingeschnappt klingt. Ich bin auch ein wenig angefressen, finde aber der Satz mit der Mark, der wirklich schlagend ist, geht neben »So ein toller Rechthaber ...« leider unter.
Ich gebe sofort zu, dass mir so ein Text à la »Lisas Welt« sicherlich nicht unbedingt liegt. Und das mit dem »eingeschnappt« konzidiere ich auch. Aber Niggemier ist seit heute F.A.Z.-Blogger, hat ein »schönes« Grußwort von Pocher bekommen und regt sich über die ARD-Brennpunkte auf.
Kann es sein, dass mehr Text bzw. mehr Blogs nicht unbedingt ein mehr an Qualität bedeutet?
Unsortierte Gedanken zum Kommentieren auf Blogs (stark subjektiv)
Es gibt im wesentlichen drei Gründe, warum
manich auf Blogs/in Foren kommentier(t)e.1. Man hat zum Thema etwas zu ergänzen und/oder zu widersprechen.
2. Man hat in den Kommentaren etwas zu ergänzen und/oder zu widersprechen.
3. Man kann (a) seine Rhetorik schulen, (b) seine Argumente überprüfen, (c) etwas lernen und – ggf. – d) noch zusätzlich für seinen Blog/Forum werben.
Hat man nicht das Bedürfnis zu trollen, erfordert das alles einen gewissen Zeitaufwand, der durch einen (imaginären) Mehrwert aufgewogen wird (die Kommentare werden ja nicht vergütet). Dieser Mehrwert zeigt sich in Punkt 3. Die Punkte 1 und 2 tragen zur Vervollständigung des Beitrages bzw. des Blogs/Forums bei und heben seine Reputation, in dem sie eine gewisse Diskussionskultur konstituieren. Vor- und Nachteil bei Blogs wie stefan-niggemeier.de ist, dass über das rein fachliche und sachliche eine Art Community-Gefühl aufkommt, das einerseits ausgrenzend wirken kann (Andersdenkende werden bereitwillig und schnell als »Troll« bezeichnet), andererseits das Kommentieren irgendwann zum Selbstzweck kommen lässt. Das habe ich zumindest bei mir festgestellt – man kommentiert dann einfach, weil man sich »befragt« fühlt. Das ist aber eigentlich nicht gut, weil es höchstens 3d bedient.
Bei Diskutanten wie bspw. »kurt« kann man, wenn man das Diskussionsprinzip erst einmal durchschaut hat (hier und hier), nichts mehr lernen. Es ist mir ein Rätsel, warum diese Diskussion nicht längst geschlossen wurde, da sie Kommentierer um Kommentierer »verbrennt«. Das Problem hier ist, dass die Ebene der Medienkritik längst verlassen wurde und in eine bzw. mehrere sachliche Ebenen überführt wurde. Die Tatsache, dass der Grüne Cem Özdemir etwas, was ihn in den Mund gelegt wurde, nicht gesagt hat, wurde längst zu Gunsten von Islamkritik, Argumentationstechnik, westlichen Werten und Gesetzen der Physik aufgegeben.
Ich habe diese Verschiebungen innerhalb der Diskussion immer als problematisch empfunden, obwohl ich natürlich selber fleissig daran beteiligt war und mitgemacht habe. Hier würde ich jeden Ordnungsruf verstehen. Auf Dauer ist das nämlich höchst unerquicklich, da man entweder mit seitenlangen Elaboraten zurückantworten müsste oder einfach den Diskurs aufgibt, was vielen aber als Kapitulation vorkommt. Unsäglich fand ich die Diskussion, die sich aufgrund des Videos von Tom Cruise einstellte. Niggemeier hatte nur dieses Video eingestellt – und es gab über 1200 Kommentare. Der medienkritische Aspekt erschliesst sich mir bis heute nicht.
Niggemeiers freimütiges Bekenntnis zur Ambivalenz von Kommentaren ist für mich durchaus verständlich. Aber warum versucht er dann nicht diese zu begrenzen und Hürden einzubauen? Denn Fakt ist, dass jeder in einer Minute bei ihm kommentieren kann. Der Vorteil ist, dass es eine Menge interessanter Spontankommentare gibt – der Nachteil ist aber (neben des Trolleffekts), dass die regelmässige Kommentierer in der Regel mit doppelt anonymen Kommentierer zu tun haben (verweisen die Pseudonyme auf eine Webseite oder einen Blog, kann man eine gewisse Einschätzung vornehmen). Mit »anonym« meine ich also nicht, dass der Kommentierer mit Pseudonym schreibt (das mache ich ja auch), sondern dass er unter Umständen Niggemeier nicht bekannt ist (falsche Mailadresse) und/oder – das ist wichtiger – nicht einzuordnen ist, wenn er ohne jeglichen Bezug (auf einen Blog bspw. schreibt. Interessant ist, dass sehr viele regelmässige Kommentierer ohne Blog schreiben (deren Stil und Anschauungen bekommt man recht schnell mit), aber sehr viele sind eben sporadische »Aufmischer«, wobei man sich dann schon einmal fragt, warum man darauf antworten soll. Freilich: Man muss es ja nicht, aber andererseits ist vielleicht gerade eine Diskussion im Gang, und dann greift Punkt 2.
Ein wesentliches Element für mich ist die Zeit. Ein Kommentar – gerade bei jemanden wie Niggemeier, der enorme Zugriffszahlen hat (im Vergleich zu anderen Blogs) – muss wohl begründet und formuliert sein, da er sonst in Windeseile »zerpflückt« würde. Hierfür recherchiert man noch einmal kurz nach, versucht einen Link als Beleg für ein Argument zu bringen (manchmal findet sich nichts, dann lässt man’s sein) und kratzt seine paar Partikel Höflichkeit zusammen. Und das alles – siehe oben – für 3.
Ich habe oft geschrieben: Wenn der Hausherr meine Kommentare nicht mehr wünscht, genügt ein Wort. Es waren mehr als eines. Ich habe jetzt wieder mehr Zeit (hätte allerdings bei den letzten vier, fünf Themen Niggemeiers auch nichts zu sagen gehabt [die Deutung einer »Bild«-Schlagzeile habe ich zuletzt in der Schule mal gemacht]), und das ist doch auch was.
Du vergisst den emotionalen Aspekt: Es macht Freude bzw. Spass, und eine ganze Palette weiter Gefühle (Verbundenheit, Gemeinsamkeit etc.) spielt eine Rolle, gerade wenn man sein Gegenüber schon etwas länger kennt bzw. die eine, oder andere persönliche Nuance. Außerdem ist diese Ebene in den Texten (egal ob Ausgangstext, oder Kommentar) genauso präsent (vor allem in »literarischen«).
Ja, das stimmt. Bei SN kannte ich allerdings niemanden – ausser über die Kommentare. Das hat den Vorteil, dass eine gewisse Distanz beibehalten wird.
@Gregor Keuschnig
»Bei SN kannte ich allerdings niemanden – ausser über die Kommentare.«
Naja, wenn ich einmal ganz unbescheiden sein darf, gehöre ich doch zu jenen, die über SN auf Sie gestoßen sind. Inzwischen lese ich regelmäßig bei Ihnen, kommentiere immerhin gelegentlich (nämlich dann, wenn ich glaube, etwas beitragen zu können) und tausche hin und wieder Gedanken und auch Meinungsverschiedenheiten mit Ihnen aus.
Und bei aller Distanz, wir sind uns doch auch näher gekommen? Oder etwa nicht?
Ich wiederhole meine These: Sie nehmen die Sache mit Niggemeier zu persönlich und unterschätzen dadurch kurioserweise das, was Sie auch persönlich bei (und auch durch) Niggemeier gewinnen. Denn um Niggemeier geht es beim Kommentieren bei Ihm eben nur am Rande. Oder anders formuliert, Sie und andere verlieren durch diese dämliche Geschichte mehr als Niggemeier. Und das ist schade. Sehr.
@Peter Viehrig
Ich war unpräzise: Ich meinte, dass ich niemanden bei SN »real« kannte; die Kontakte, die es gab und gibt, »beschränkten« sich auf die Kommentare an sich und – in wenigen Fällen – auf Mails (bis auf unser Telefonat).
Ich bin immer ein bisschen gespalten: Einerseits hat man eine andere Einstellung den Leuten gegenüber, mit denen man schon mal ein Bier oder einen Wein getrunken hat, andererseits mag ich auch die Distanz, die vor allzu schnellem »Kumpeltum« (welches u. U. auch ausschliessend wirken kann) schützt.
Abschliessend zu diesem Fall: Ich weiss nicht, wie SNs Wortwahl anders als persönlich (neben der sachlichen Komponente: ‘das Thema ist albern’) zu nehmen ist – auch (und vor allem) sein Kommentar einen Tag später. Meinen Gewinn der Kommentiererei habe ich versucht in Punkt 3 herauszustellen. Ich bestreite das ja gar nicht. Es war allerdings auch ein nicht unbeträchtlicher Zeitaufwand und wenn man ehrlich ist, waren nur die wenigsten Sachen von mir wirklich für die jeweilige Diskussion zielführend. Das meiste führte eher vom Gegenstand weg oder war »besserwisserisch« (insbesondere was Punkt 2 meines Kommentars von oeben angeht).
Ich bin immer ein bisschen gespalten: Einerseits hat man eine andere Einstellung den Leuten gegenüber, mit denen man schon mal ein Bier oder einen Wein getrunken hat, andererseits mag ich auch die Distanz, die vor allzu schnellem »Kumpeltum« (welches u. U. auch ausschliessend wirken kann) schützt.
Ich habe (bei mir selbst) den Eindruck, dass diese Distanz im Netz sehr schnell verschwinden kann, und ich meine das nicht im trivialen Sinn. Das virtuelle ist dem realen Gespräch mitunter sehr ähnlich: Dort wo es »ernst« und ehrlich ist, wo sich eine gemeinsame Suche entwickelt, wo man sich dem anderen verstehend nähert und umgekehrt; wo Fragen keine bloße Rhetorik sind und Gegenseitigkeit vorhanden ist, da ist man auch bereit persönlich Ansichten preis zugeben, die man normalerweise nicht ohne weiteres von sich gibt.
Zugegeben: Auf Blogs wie dem von SN wird sich das vielleicht nicht ergeben, dazu ist er zu öffentlich, selbst wenn man unter dem Schutz von Pseudonymen steht.
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Zitat: »Das meiste führte eher vom Gegenstand weg oder war »besserwisserisch« (insbesondere was Punkt 2 meines Kommentars von oeben angeht).«
Ist das ehrlich oder kokettierend?
Ein bisschen beides. Aber eher ehrlich.
(Der Vorwurf des »Besserwissers« haftet jedem fast automatisch an, der etwas korrigiert, weil er es – vermeintlich – besser glaubt, zu wissen. Derjenige, der den Vorwurf erhebt, spart sich damit die weitere Auseinandersetzung. Ganz falsch muss es dennoch nicht sein.)