Keine Hybris, nur Neugier. Eine Neugier, der Jahreszeit entsprechend:
Welcher der 65 Beiträge dieser Webseite war im Jahr 2013 am schönsten, anregendsten (wenn es so etwas überhaupt gibt), vielleicht auch nur am schrecklichsten? Was hat besonders gefallen – was überhaupt nicht? Und: Braucht’s das hier überhaupt?
Und vielleicht gibt es eine Begründung?
Einen der Beiträge über andere stellen kann ich nicht, da ich nur ab und zu vorbeikomme. Gerade erst den Beitrag vom 10.11. gelesen und der mag der Bewegendste sein. »Jeder Mensch ist ein Roman« ... Ich kenne sie auch, diese Männergeneration. Am 2. Weihnachtstag noch alte Geschichten gehört dazu. Diese ungeliebten Kinder, verdammt zu Fleiß, Anstand, Gefühlsreduktion, hinausgeprügelt ins Leben. Und Ihr Vater hat nie etwas in der Hand behalten können. Völlig ungesichertes Dasein seit dem 20. Lebensjahr, immer angewiesen auf sich selbst, auf den Ertrag des Tages, der Woche. Schon der Beruf war ja eine Art kalkuliertes Glücksspiel. Wer wollte es da nicht mit Spielen versuchen? Das Glück befragen, ob nicht irgendwann noch was Besseres käme, was man sich nicht hart erarbeiten müsste? Immer nur dieses Warten auf das Geschenk des Himmels. Dann vielleicht die glücklichste Zeit: Wirtschaftswunder Ende der 50er Jahre plus neue Liebe und ein neues Kind. Es geht aufwärts! Vorübergehend.
Natürlich ist das »Begleitschreiben« eine unentbehrliche Stimme. Es ist einer dieser raren Schreiborte im Netz, die frei sind von Geltungssucht und aufgesetzter Vornehmtuerei, frei von diesem Vordränglertum, von belehrenden Geistreicheleien. Stattdessen eine Art von Gründlichkeit und strikter Orientierung am Inhaltlichen, die einem in den Kaufmedien niemand mehr bieten darf, weil sie »zu anspruchsvoll für unsere Leser« wäre. »Braucht’s das hier überhaupt?« charakterisiert Sie ganz gut. Und die Antwort ist gerade deshalb ja. Leserzahlen sind kein Kriterium. Die Beschäftigung mit Literatur, die sich nicht flach, glatt und schnell wie die Autobahn liest, findet immer auf dem Außenposten statt. Das ist keine schlechte Perspektive ...
Mehrfach gelesen: Grindelwald. Großartig. Berührend, erschütternd, gut geschrieben in klarer, schnörkelloser Sprache und ganz ohne Wertung, ohne Verurteilung.
Sehr gut: alle Rezensionen. Sie lesen gründlich, schreiben ausführlich und belegen Ihre Äußerungen. Manches Buch möchte man nach dem Lesen Ihrer Rezension unbedingt haben. Besonders gut hat mir die Besprechung zu den Gedichten von Kito Lorenc gefallen – das Buch ist ein Kleinod, ohne Ihren Beitrag dazu hätte ich das wohl nicht herausgefunden.
Auch gern gelesen habe ich den Beitrag von Leopold Federmair »Die Reise zu Ozus Grab«, das sehr interessante Gespräch mit Emine Sevgi Özdamar.
»Braucht es das?« – Unbedingt. Ich stimme Herrn Fritz vollkommen zu.
Grindelwald.
+1
Ich habe – fast – alle Beiträge bis ans Ende gelesen.
Aus Interesse, mit Begeisterung.
»Grindelwald« – ist der Beitrag, der jetzt noch präsent ist und es bleiben wird.
Danke für alle Beiträge.
Freue mich auf jene, die 2014 folgen werden.
Milena Findeis
Ich finde Rankings bei nicht eindeutig messbaren Materien prinzipiell unnötig, kann mich aber gleichzeitig der Faszination von Listen nicht erwehren. Sprich: Ich würde keine erstellen, aber wenn jemand anderes die erstellt, muss ich sie mir ansehen. Und wenn ich schon einmal hier bin, kann ich ja auch versuchen, etwas beizutragen. ;)
Eine der Vorzüge der hier zu lesenden Texte ist ihre Konstanz. Ein konstant hohes Niveau, gerade bei den Rezensionen, die ein genaues, intensives Lesen belegen. Das macht es naturgemäß schwer, einen Text herauszuheben.
Trotzdem aber schließe ich mich hier ganz den bisherigen Stimmmeldungen an: Grindelwald hat mich gepackt wie kein anderer Text, den ich in diesem Jahr hier gelesen habe. Ein berührendes, fein gezeichnetes Portrait, einfach großartig.
Ich bin erst spät im Jahr auf diese Seite geraten und war sofort sehr angetan von der Ernsthaftigkeit und Genauigkeit mit der hier über Texte geschrieben wird – unter völliger Vermeidung von Effekthascherei. Schönen Dank dafür!
Und: Ja. Grindelwald. (Ein bisschen habe ich ja auch gestöbert) – obwohl ich jetzt gerade ein bisschen im Zweifel bin, ob ich nicht doch diese irrsinnig komischen »Nicole Zepter-Kommentare« wählen sollte ...
Danke bis hierher.
Vielleicht kommt noch mehr?!
@Jutta Reichelt: Unbedingt, die »Liebe-Nicole-Zepter«-Kommentare. Komisch. Und irgendwie erschütternd. Beides zugleich.
Zu »Grindelwald« wird es bald eine kleine Überraschung geben.
Sehr geehrter Herr Struck,
Ihr »Begleitschreiben« zu lesen ist jedes Mal ein Vergnügen. Ihre Rezensionen sind tiefgründig und sorgfältig, wie es anderswo so nicht zu finden ist. Oft bereits haben Sie mir neue Lesestoffe erschlossen. Als Handke-Begeisterter hat mich Ihre Besprechung des neuesten Buches »Versuch über den Pilznarren« sehr angesprochen – auch alle früheren Handke-Besprechungen habe ich mit großem Gewinn gelesen.
In diesem Jahr gab es zwei andere »Artikel«, die mir gut gefielen: So haben Sie mir Dragan Aleksic nahe gebracht; auch Botho Strauß’ »Licht des Toren« haben Sie luzide besprochen.
Am Schönsten war es für mich jedoch, als Sie 2011 den Band »Zusammenkunft« – Ein Erzählgeflecht des Autors Walle Sayer vorstellten: Ihre Besprechung machte mich so neugierig, dass ich das Buch prompt bestellt habe, dann nach der Lektüre den Autor angeschrieben habe. Wir haben ein halbes Jahr lang korrespondiert, uns dann kennen gelernt, sind heute befreundet! Danke dafür, dass Sie einen immer wieder aufmerksam machen auf Literatur jenseits des Mainstreams!!!
Alles Gute weiterhin!
Ergänzend zum bisher Geschriebenen: Die Bandbreite der Texte (Politik bis Literatur), deren Regelmäßigkeit bei gleichbleibend hoher Qualität ist beachtlich; die Entwicklung hin zu (mittlerweile) mehreren Gastautoren bewirkt eine weitere Verbreiterung, das gefällt mir gut (es ist keineswegs »nur« sekundäres zu finden).
Ich würde eine reine »Besprechungsseite« weniger regelmäßig besuchen, daher ist mir die Mischung aus Besprechungen, Kommentaren, Essays, usf. wichtig.
Was angenehm auffällt, ist, dass (falls vorhanden) kein System ins Auge sticht, nach dem gearbeitet wird; das Hervorstechende an den Besprechungen ist, dass sie den Autor bzw. das Werk sprechen lassen und dass nicht versucht wird aus der Besprechung wiederum Literatur zu machen (was meist schief geht).
Braucht’s das hier überhaupt? Brauchen, brauchen, das ist beinahe ökonomisch gefragt und ich vermute, dass der Hauptimpuls doch aus einem anderen Bezirk kommt (ein »Ja« könnte man glatt als Kränkung auffassen; und ein »Nein« auch — schwierig!).
Wahrlich schöne Kommentare. Dank für die Geschichte mit und über Walle Sayer.
@metepsilonema: Brauchen, brauchen, das ist beinahe ökonomisch gefragt – Ja, der Einwand stimmt; auch der Schluss – Kränkung/schwierig – trifft. Ein bisschen wollte ich auch die vermeintlich Schlafenden zu einem Lebenszeichen ermuntern...
Dieses Blog (oder bevorzugen Sie eine andere Bezeichnung?) bietet mir eine andere, in vielen Fällen sogar eine interessantere Perspektive* auf die besprochenen Bücher als diejenige, die einem gemeinhin in den üblichen Literaturseiten der Tages- oder Wochenzeitungen so geboten wird. Und warum wiederum das so ist, kann man in dem Text »Renegaten unerwünscht« https://www.begleitschreiben.net/renegaten-unerwuenscht/ lesen, weshalb –neben Grindelwald, aber das läuft für mich gewissermaßen außer Konkurrenz–, dieser Text einer der interessantesten dieses Jahr war und in dessen letztem Absatz sehr schön das Verhältnis von herkömmlicher Literaturkritik zu neuer Literaturkritik zusammengefasst wird: »Stattdessen zieht die Karawane weiter. Und der Leser erschreibt sich sein Feuilleton selber.« Und damit ist auch die Frage beantwortet, ob es diese Seite braucht: Ja! Ich habe dieses Jahr durch Sie viele neue Bücher hier entdecken können, z.B. Rabowskis »Haltestellen« , oder »Das rote Sofa« von Federmair oder auch Kito Lorenc’ Gedichte, für mich auch alles ganz neue Autoren, auf die ich sonst wohl sonst nie gestossen wäre.
Besten Dank also an Sie für alles im vergangenen und die allerbesten Wünsche für Sie für das kommende Jahr!
*Auch interessant war die analytische Auseinandersetzung mit der geplanten Schließung des Bachmann-Festivals (»ERT ist überall« ) seitens des ORF, auch hier wieder mit Blick auf die Literatur einerseits und einer Kritik sowohl des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch an der Aufschreireaktion auf die angekündigte Schließung der sonst meist mit Hämetweets über die Autoren aufgefallenen sozialen Netzwerker andererseits.
Kann mich dem bisher Geschriebenen nur anschließen. Egal, ob man im Detail mit der Rezension einverstandenen ist oder nicht, sie zu lesen ist immer ein Gewinn.
Grindelwald, aber auch die Debatte um das Feuilleton haben mir sehr gut gefallen.
Natürlich braucht es weiterhin diesen Blog.
Einziger Wunsch, ab und zu etwas mehr Humor und Großzügigkeit gegen andere Urteile, insbesondere im Fall Peter Handke.
Also weiter so!!!
„Braucht’s das hier überhaupt?“ Also, ich brauch’s, weil mich Deine Buch- und Literaturkritiken mit den Jahren sowohl zum Erwerb einiger, als auch zum Kaufverzicht vieler der rezensierten Bücher animiert haben.
Spannend fand ich 2013 besonders die Reaktionen auf Deinen Beitrag „Recherche und Obsessionen“. Du musst den Autor der Beuys-Biografie ziemlich punktgenau getroffen haben, denn der Hund bellte nicht, er jaulte.
Ja, und dann natürlich „Grindelwald“. Nicht nur eine großartig geschriebene Geschichte, sondern auch außergewöhnlich mutig.
Was sonst noch? Ach ja, Dir und den Deinen Glück und Gesundheit im Neuen Jahr.
Wie punctum, siehe oben, fand ich ebenfalls »Grindelwald« hervorragend. Zur Beschreibung meines Eindrucks würde ich ähnliche Attribute gebrauchen wie er (sie?).
Danke für die Kommentare. Und auch noch alle guten Wünsche für 2014.