Große Empörung bei Politikern von CDU und FDP – und auch in der Schweiz: Das Land Nordrhein-Westfalen hat wieder einmal eine CD mit gestohlenen Daten von deutschen Steuersündern aufgekauft. Solche Vorgänge sind umstritten, da der Staat widerrechtlich angeeignete Daten auswertet. Aber darum geht es schon lange mehr: Es geht um’s Geld und Landesregierungen unterschiedlicher politischer Couleur hatten in der Vergangenheit Lösegelder für derartigen Datenträger bezahlt (die sich dann sehr schnell amortisierten).
Die Empörung richtet sich dahingehend, dass die SPD/Grünen-Landesregierung in NRW einen Aufkauf einer solchen CD vorgenommen hat, währenddessen das sogenannte Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland im Bundesrat von eben diesen Parteien blockiert wird. Der NRW-Finanzminister begründet den Aufkauf damit, dass das Abkommen noch nicht in Kraft sei und man sich daher nicht so verhalten brauche. Der FDP-Generalsekretär beklagte sich, die rot-grüne Regierung »mache mit dem Ankauf deutlich, dass sie sich nicht an das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz halten wolle«. Und einige behaupteten flugs, dass man mit dem auf Eis gelegten Abkommen auf Aufkäufe solcher CDs verzichtet habe oder das sie sogar verboten seien, wie die »Frankfurter Rundschau«, die Süddeutsche Zeitung oder die »Financial Times Deutschland« etwa (siehe aber auch bei österreichischen Kollegen hier). Das ZDF schreibt etwas nebulös, dass mit dem Abkommen »der Kauf solcher CDs ein Ende haben« sollte. Vermutlich berufen sich die Journalisten auf erste Stellungnahmen aus der Schweiz. Dort meinte Mario Tuor, Sprecher des Schweizer Staatssekretariats für internationale Finanzfragen, dass beide Vertragspartner an das Abkommen gebunden seien, solange der Ratifizierungsprozess laufe und beeilte sich dann zu sagen, ein solcher Kauf sei nach diesem Abkommen eben illegal.
Aber eine Falschmeldung wird nicht dadurch richtig, dass sie dauernd wiederholt wird. Auf der vorletzten Seite des Abkommen heißt es ausdrücklich:
Erklärung der Bundesrepublik Deutschlands betreffend den Erwerb
entwendeter Daten schweizerischer Bankkunden
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erklärt anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden.
So kann man weiter CDs aufkaufen – und sagen, man habe sich darum »nicht aktiv« »bemüht«. Und nebenbei haben einmal wieder nahezu alle Beteiligten offenbart, dass sie nur lückenhafte Kenntnisse über das, was sie kommentieren, besitzen.
Das Aufjaulen des Verbandes der Steuerhinterzieher ist doch geradezu Musik in meinen Ohren. Das ganze Steuerabkommen mit der Schweiz ist pervers und in einer Zeit, wo Steuerhinterziehung und Kapitalflucht die Wirtschaft ganzer Staaten an den Rand des Ruins treibt, einfach nicht mehr hinzunehmen. Ich freue mich über jede angekaufte CD und hoffe inständigst, dass diese Unverschämtheit von „Abkommen“ nie ratifiziert wird.
Ich finde das auch rein sprachlich interessant und in der Juristerei geht es ja häufig um die Interpretation von verschwurbelten Texten. »Er hat sich bemüht« ist in Beurteilungen die Umschreibung für »dumm«. »Hat sich aktiv bemüht« heißt vermutlich, »dumm, aber fleißig« oder »fleißig, aber dumm«. Bei »Nicht aktiv bemüht« wäre zu überlegen, ob »nicht aktiv« oder »nicht bemüht«. Ein bisschen erinnert es auch an den Text, in dem es um eine Flasche Alkohol geht, die man verschenken will und die dann vor der Verschenkung plötzlich und von allein aufgeht, und wo der Alkohol verdunstet.
Aber in der Sache ist es schon schwer einzusehen, dass man Gesetzesbrechern nicht auch mit ungesetzlichen Mitteln beikommen darf, obwohl das ein wichtiger juristischer Grundsatz ist. Ich bin da sehr gespalten in meiner Meinung. Es wäre deutlich einfacher, Stellung zu beziehen, wenn ich illegales Geld in der Schweiz hätte. ;-)
@Köppnick
Die Nähe zum Firmenzeugnis-Duktus war einkalkuliert...
Das Problem ist, dass sich der Staat aus rein monetären Gründen an solchen Aktionen beteiligt, d. h. Informationen verwendet, die auf illegalem Weg gewonnen wurden. Bei anderen Delikten (bis hin zum organisierten Verbrechen) ist es ein Tabu, illegal generierte Informationen oder Nachrichten zu verwenden. So sind sie ja praktisch nicht gerichtstauglich. Dieses Verhalten ist ziemlich heuchlerisch.
Inzwischen hat Herr Tuor gesagt, dass ein Ankauf einer solchen CD identisch sei mit dem aktiven Erwerb. Das ist eine sehr interessante Definition.
»... die auf illegalem Weg gewonnen werden.«: Juristen in meinem Umfeld, die auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert sind, versichern mir, dass in der deutschen Strafprozessordnung das Beweißverwertungsverbot ziemlich schwach ist (im Gegensatz zu den USA) – und wenn man sich die Rechtssprechung bisher anschaut, scheint es noch nie Probleme mit dem Ankauf von Infos in diesem Bereich gegeben zu haben.
@Doktor D
Ja, das glaube ich auch. Aber wie es, wenn bei einer illegalen (bzw. staatsanwaltschaftlich nicht genehmigten) Abhöraktion beispielsweise ein Geständnis eines Verbrechers bekannt wird? Meines Wissens darf es nicht verwendet werden.
Wenn ich die Herren richtig verstanden habe, sind illegale Abhöraktionen einer der wenigen Bereiche, für die dann tatsächlich Beweißverwertungsgebot gilt.
In der Diskussion um den Ankauf von Datenträgern mit Infornationen zu mutmaßlichen Steuerhinterziehern scheinen mir mit schöner Regelmäßigkeit gewisse Leute ihr kompromissloses Rechtsgewissen zu entdecken, die man in den Diskussionen um »Großen Lauschangriff«, Vorratsdatenspeicherung, die Praktiken der Geheimdienste oder der V‑Mann-Einsatz gegenüber radikalen Splittergruppen aller Art eher auf der Seite der Befürworter solcher Maßnahmen findet. Vielleicht bin ich da auch selbst zu voreingenommen, um die dann vorgebrachten rechtstheoretischen und ‑praktischen Gründe nachvollziehen zu können.