Es gäbe viel über die meines Erachtens ziemlich bösartige Kritik von Gregor Dotzauer zu den Tagebüchern von Fritz J. Raddatz zu sagen. Es scheint inzwischen zum Feuilletonsport zu werden, Zitate aus Büchern wenn nicht ganz zu erfinden (Heidenreich), so doch wenigstens derart aus dem Kontext des Geschriebenen zu reissen, so dass die Intention vollends ins Gegenteil verkehrt wird. Beides nenne ich Fälschung.
Auch das ist man als Leser ja längst gewohnt. Aber Dotzauers Kritik geht noch weiter. Gegen Ende erzählt er, dass Raddatz auf Seite 431 (15. April 2009) die Diagnose Krebs erhält. »Knapp 100 Seiten später spezifiziert er die Diagnose zu Prostatakrebs«, so Dotzauer, der daraus schließt: »Ist das die schonungslose Aufrichtigkeit des Diaristen? Oder der Versuch, sich unangreifbar zu machen?« Es wird noch über die Endlichkeit philosophiert und der letzte Satz lautet: »Aber dafür, nicht so verbittert alt zu werden wie Fritz J. Raddatz, lässt sich eine Menge tun.«
Wie würde wohl Dotzauer im Fall einer Krebsdiagnose reagieren? Würde er in Jubel ausbrechen? Wie kommt er nur auf die Anmaßung, Raddatz in diesem Fall Wehleidigkeit und Verbitterung oder gar eine Art perversen Heroismus vorzuwerfen? Die Aussage, dass es sich um Prostatakrebs handelt kommt auch nicht »knapp 100 Seiten später«, sondern wird eindeutig auf Seite 496 sichtbar, wenn von schlechten PSA-Werten der Prostata die Rede ist und dann noch einmal auf Seite 512.
Und schließlich dann das »positive Entsetzen« (Seite 519): Raddatz hat keinen Krebs. Die Ärzte haben sich geirrt.
Dotzauer hat also irgendwann zwischen Seite 512 und 518 aufgehört zu lesen. Denn sonst wäre(n) ihm die Fehldiagnose(n) von Raddatz’ Ärzten auf Seite 519 nicht entgangen. Oder er hat das Buch doch zu Ende gelesen und verschweigt bewusst die »Pointe«. Das wäre dann niederträchtig.