Os­car Heym: Die Re­ser­ven

Oscar Heym: Die Reserven

Os­car Heym: Die Re­ser­ven


Deutsch­land 1976, mit­ten im »Kal­ten Krieg«. Die Öl­kri­se ist zwar vor­über (die Sonn­tags­fahr­ver­bo­te wur­den im De­zem­ber 1973 auf­ge­ho­ben), aber der Schock sitzt tief. Wen­zel Hoff­mann, deutsch-ame­ri­ka­ni­scher Geo­lo­ge kommt nach Deutsch­land, um in halb-ge­hei­mer Mis­si­on nach Öl zu boh­ren. Er wacht aus dem Flug aus blei­er­ner Mü­dig­keit auf und stellt fest, dass sei­ne Un­ter­la­gen ver­schwun­den sind. Er rennt zu­rück zum Flie­ger, trifft dort aber nur ei­nen al­ten Mann, der ihn kurz an sei­nen Va­ter er­in­nert, und die at­trak­ti­ve Ste­war­dess Mar­ga­re­the (Mag). Bei­de kön­nen ihm nicht hel­fen; die Un­ter­la­gen blei­ben un­auf­find­bar. Mag und Wen­zel ver­brin­gen ent­ge­gen je­der Pla­nung meh­re­re Ta­ge zu­sam­men und ge­ben sich hem­mungs­lo­sem Sex hin.

Wie ein klei­ner Tau­ge­nichts wird die­ser Wen­zel ein­ge­führt, der mit meh­re­ren Ta­gen Ver­spä­tung in dem fik­ti­ven (?) Ort Gro­nau im deutsch-deut­schen Grenz­ge­biet ein­trifft (das rea­le Gro­nau-Lei­ne stimmt geo­gra­fisch nicht ganz mit dem Er­zählort über­ein; al­ler­dings gibt es tat­säch­lich Erd­öl­vor­kom­men in Nie­der­sach­sen die ge­för­dert wer­den). Wen­zel macht un­mit­tel­bar Be­kannt­schaft mit der Pro­vinz­po­li­tik die­ser eher fin­ster ge­zeich­ne­ten Ge­gend (auch sein Deutsch­land-Bild ist an­fangs nicht un­ge­trübt). Die Fä­den spinnt ei­ne Frau Krie­ger, die, her­risch, zy­nisch und men­schen­ver­ach­tend, Gro­nau mit har­ter Hand be­herrscht, den Päch­tern ge­kün­digt hat und mit dem Öl ei­nen gro­ßen Pro­fit er­war­tet. Sie kom­man­diert Wen­zel wie ei­nen klei­nen Jun­gen her­um und de­mü­tigt Fa­mi­lie und Um­ge­bung wo sie nur kann (ihr Sohn ist be­hin­dert, die Toch­ter wird spä­ter dro­gen­süch­tig). So­gar Wen­zels Chef, Mr. Lei­ce­ster, ist ih­rem un­bän­di­gen Ak­tio­nis­mus aus­ge­lie­fert.

Wen­zels geo­lo­gi­scher »Eh­ren­ko­dex«, d. h. vor Ort zahl­rei­che Bo­den­pro­ben zu neh­men und die­se vor Pro­be­boh­run­gen um­fas­send zu ana­ly­sie­ren, wird sehr schnell den wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen un­ter­ge­ord­net. Als Mag Wen­zel in Gro­nau be­su­chen kommt, ler­nen bei­de den Hass von Frau Krie­ger ken­nen, die Mag un­ver­hoh­len als Pro­sti­tu­ier­te und Spio­nin be­schimpft. Auch hier ist Wen­zels Wi­der­stand über­ra­schend ge­ring; für ihn, den 28-jäh­ri­gen, soll die­se Stel­le ein Sprung­brett für die be­ruf­li­che Kar­rie­re sein. Zu Wen­zel stößt Pop, der dem Job des Bohrleiter[s] wahr­neh­men soll, wäh­rend Wen­zel als For­schungs­lei­ter fun­giert. Der Bohr­platz wird als Raf­fi­ne­rie für ei­ne Zucker­rü­ben­fa­brik ge­tarnt und die Ge­bäu­de wer­den of­fi­zi­ell ein Er­ho­lungs­heim für US-Sol­da­ten.

Os­car Heym schil­dert den Ort und des­sen Pro­vin­zia­li­tät durch­aus pla­stisch. Der Wirt scheint nicht zu wis­sen, wo Ame­ri­ka liegt (das war selbst für die 70er Jah­re un­ge­wöhn­lich). Ge­schil­dert wird ein­dring­lich die an­fäng­li­che Ver­un­si­che­rung Wen­zels, die je­doch suk­zes­si­ve ei­ner kru­den Mi­schung aus Be­fehls­emp­fän­ger­tum, Pro­fi­lie­rungs­geh­abe und Gier weicht. Früh wird er (auch durch ei­nen Be­such Lei­ce­sters) auf das »rich­ti­ge« Er­geb­nis sei­ner Un­ter­su­chun­gen so­zu­sa­gen ver­gat­tert – un­ab­hän­gig da­von, ob es tat­säch­lich stimmt oder nicht. Aber ein­mal wird Wen­zel zu ei­nem Emp­fang von Wirt­schafts­füh­rern in Frank­furt ein­ge­la­den und man sug­ge­riert ihm, die Boh­run­gen ru­hen zu las­sen. Als er dem fol­gen will (es ist nicht ganz klar, war­um er die­sem Drän­gen nach­gibt), gibt es ei­nen Auf­schrei der Ent­rü­stung; sein Job steht auf dem Spiel – aber als die Boh­run­gen wie­der auf­ge­nom­men wer­den scheint al­les ver­ges­sen; er wird so­gar be­för­dert (irr­tüm­lich nahm man wohl an, er woll­te sei­ne Po­si­ti­on da­durch ver­stär­ken).

Gold­grä­ber­stim­mung

Lang­sam drif­tet die Er­zäh­lung von Wen­zels Be­find­lich­kei­ten weg zur Schil­de­rung der Ver­strickun­gen, in die der un­er­fah­re­ne Geo­lo­ge ge­rät (er lei­det zu­sätz­lich dar­un­ter, dass Mag sich nicht mehr mel­det und un­auf­find­bar bleibt). Of­fi­zi­ell ist er Lei­ce­ster ver­pflich­tet, der je­doch bis auf wei­te­res un­er­reich­bar bleibt. Frau Krie­ger über­nimmt frech die Rol­le des Chefs und ver­sucht im Wech­sel­spiel zwi­schen her­ri­schen Ge­sten und ero­ti­schen Avan­cen Wen­zel an sich zu bin­den. Pop will den Er­folg, um schnell auf ei­ne lu­kra­ti­ve­re Stel­le nach Ara­bi­en zu kom­men, ob­wohl er bei ei­ner Gas­ex­plo­si­on ver­letzt wird und ei­nen stei­fen Arm be­hält. Nach zwi­schen­zeit­li­chem Zö­gern, in dem Wen­zel auf die Idee kommt, die Öl­vor­kom­men zu na­tio­na­len Re­ser­ven zu er­klä­ren und sie nicht aus­zu­beu­ten (Pop kri­ti­siert dies na­tür­lich mit der Lo­gik ei­nes Öl­för­de­rers), gibt er dem Druck nach. Zwar wird an­fangs sehr wohl Öl ge­fun­den, aber er heizt den Hype zu­sätz­lich an und sug­ge­riert im­mer grö­ße­re Vor­kom­men. In der Stadt ent­wickelt sich ei­ne Gold­grä­ber­stim­mung. Zwar nag­te die Un­zu­frie­den­heit an Wen­zel, aber dann schwimmt er auf die­ser Wel­le wi­der bes­se­res Wis­sen mit und ge­nießt den Reich­tum (bzw. des­sen An­ti­zi­pa­ti­on). Und hieß es an­fangs, die Öl­för­de­rung sei ein Po­li­ti­kum (die­se kru­de Mi­schung aus Angst und Hoch­mut vor den Kom­mu­ni­sten – ein Phä­no­men der da­ma­li­gen Zeit – ver­steht Heym sehr gut zu schil­dern), so wird nun ei­ne Bla­se pro­du­ziert, die von voll­kom­men fal­schen Vor­aus­set­zun­gen auf völ­lig ir­rea­le Zie­le (Selbst­ver­sor­gung Deutsch­lands bin­nen zehn Jah­ren) fo­kus­siert ist.

Wen­zel muss, um den Boom noch ei­ne Wei­le auf­recht zu er­hal­ten, die Pro­duk­ti­on un­ter ei­nem Vor­wand dros­seln (was dies­mal wi­der­spruchs­los klappt). Nur so wird ver­schlei­ert, dass die För­der­men­ge ra­pi­de zu­rück­geht (teil­wei­se nur noch auf ein Fass pro Tag!). Nicht Fak­ten zäh­len, son­dern der Glau­be an ima­gi­nä­re, ein­ge­bil­de­te För­der­men­gen. Die Er­war­tung wird be­stim­men­de Grö­ße. Er be­merkt, was für ein Di­let­tant und Hoch­stap­ler der Ar­chi­tekt Nitzschke ist und wie er sich die Auf­trä­ge be­schafft. Aber er sel­ber wird zum Hoch­stap­ler des All­tags und er und Pop spre­chen von sen­sa­tio­nel­len Fun­den, die nur noch ge­för­dert wer­den müs­sen.

Wen­zels Des­il­lu­sio­nie­rung lässt nicht lan­ge auf sich war­ten. Als Lei­ce­ster sei­ne An­tei­le an der Fir­ma ver­kauft (es bleibt bis zum Schluss un­klar, wer da­nach Mehr­heits­ei­gen­tü­mer wird) und ei­nen an­de­ren Job an­nimmt, wird ihm schlag­ar­tig klar, dass es der Aus­gangs­punkt ei­ner Bla­se war, die nun mit Ve­he­menz droht zu plat­zen – mit al­len Kon­se­quen­zen. Hin­zu kommt das Ge­rücht, ei­ne selt­sa­me Krank­heit ge­he um (Gas­aus­tritt?). Im­mer­hin hat man tat­säch­lich neue Vor­kom­men ent­deckt. Die­se sind je­doch von min­de­rer Qua­li­tät und wer­den streng ge­nom­men schon auf dem Ge­biet der DDR aus­ge­beu­tet. Dort dul­det man dies und nimmt die Wa­re zu 50% des Markt­prei­ses ab, was zwar ei­nen ge­wis­sen Ab­fluss ga­ran­tiert, den wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­bruch aber nur ver­zö­gert.

Zum öko­no­mi­schen De­sa­ster kommt noch das Per­sön­li­che hin­zu. Zwar be­geg­net Wen­zel sei­ner Mag auf dem Frank­fur­ter Flug­ha­fen per Zu­fall wie­der (sie ist nun Ste­war­dess ei­ner ost­eu­ro­päi­schen Flug­li­nie), aber die an­fäng­li­che Freu­de ver­wan­delt sich schnell in tie­fe Ver­zweif­lung. Sie hat­te ei­ne Tot­ge­burt und ih­re El­tern sind bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall ums Le­ben ge­kom­men. Sie ist ein an­de­rer Mensch ge­wor­den, fah­rig, wie ver­folgt, ih­re Au­gen sind er­lo­schen; Sex ist un­mög­lich ge­wor­den. Sie ist dro­gen- und ta­blet­ten­ab­hän­gig – und tat­säch­lich: sie spio­niert (aus Über­zeu­gung) für die Ge­gen­sei­te (»Der We­sten ist die Krankheit…Er reißt uns in den Ab­grund«), was Wen­zel nicht un­ter­bin­det.

Er ver­sucht Mag zu hel­fen, zieht mit ihr in Frau Krie­gers Haus, die es im­mer mehr ins mon­dä­ne Mün­chen zieht. Spä­ter stellt sich her­aus, dass sie das Haus nach Sta­si-Ma­nier ver­wanzt hat. Mag kommt beim Ver­such, durch ei­nen still­ge­leg­ten Stol­len in die DDR zu kom­men, ums Le­ben. Die För­de­rung wird ein­ge­stellt, Pop be­kommt sei­nen Job in Ara­bi­en, Wen­zel kommt ins Ge­fäng­nis (An­kla­ge we­gen Ge­heim­nis­ver­rat) und ist rui­niert. Am En­de trifft er Nitzschke wie­der, der als Pro­fes­sor re­üs­siert hat. Er hat Frau Krie­ger ge­hei­ra­tet, die sehr schwer krank ist, aber ih­re Men­schen­ver­ach­tung blitzt noch im­mer her­vor.

…und Zu­sam­men­bruch

Konn­te man am An­fang durch­aus auf den Ge­dan­ken kom­men, dass Wen­zel ein biss­chen et­was vom Land­ver­mes­ser K. hat, so ist dann am En­de der fast haar­lo­se Geo­lo­ge wie ein ent­fern­ter Ver­wand­ter des Man­nes in der Tür­hü­ter­le­gen­de, der hier Ein­lass ver­langt, um ei­nen Vor­trag im Auf­trag Nitzschkes hal­ten zu kön­nen und zu­nächst nicht vor­ge­las­sen wird. Mehr­mals streut Os­car Heym Ge­dächt­nis­lücken bei Wen­zel ein; Film­ris­se: Do­ku­men­te sind plötz­lich ver­schwun­den, ei­ne gro­ße Mü­dig­keit oh­ne Er­in­ne­rung beim Auf­wa­chen, Des­ori­en­tie­rung in Raum und Zeit. Auf­ge­löst wird das nicht. Wur­de er ma­ni­pu­liert oder un­ter Dro­gen ge­setzt? Oder liegt ei­ne Par­al­le­le zur De­menz des Va­ters vor (der als Op­fer ei­ner Fehl­spe­ku­la­ti­on schlicht­weg ver­blö­det ist)? Heym gibt da­durch der ei­gent­lich klar kon­tu­rier­ten Fi­gur ei­ne ge­heim­nis­vol­le Au­ra wie­der zu­rück, die durch­aus Raum für Deu­tun­gen lässt.

Fragt man sich an­fangs war­um dem zeit­ge­nös­si­schen Le­ser ei­ne fik­ti­ve Ge­schich­te ei­ner Öl­för­de­rung von 1976 (der Ro­man en­det un­ge­fähr 1983) in­ter­es­sie­ren soll, so ge­lingt es Heym schnell, die­ses In­ter­es­se zu er­zeu­gen. An­fangs durch star­ke Bil­der, fast Ly­ris­men (et­wa, wenn Trag­flä­chen bei der Lan­dung ein Ge­räusch wie wie­hern­de Pfer­de ma­chen, wenn er auf ei­ner Stra­ße steht ver­schluckt von der Dun­kel­heit). Spä­ter ver­lässt der Ro­man die­se kon­tem­pla­ti­ve, wahr­neh­men­de Ebe­ne dann zu­se­hends, was der Ver­wand­lung der Fi­gur Wen­zel, des Ich-Er­zäh­lers, ge­schul­det ist und die­se da­durch il­lu­striert. Den­noch wer­den im­mer wie­der ver­stö­ren­de Bil­der in den Ro­man ein­ge­baut (bei­spiels­wei­se die In­zest-Sze­ne der Krie­ger-Ge­schwi­ster), die zu­nächst zu­sam­men­hang­los und will­kür­lich er­schei­nen. Sel­ten, dass Wen­zel in sei­nem Kla­gen lar­moy­ant wird, ob­wohl er sich durch­aus manch­mal aus­ge­lie­fert sieht. Den­noch: Im ent­schei­den­den Mo­ment trifft er sei­ne Ent­schei­dung au­to­nom (auch wenn er die Fol­gen nicht zu über­se­hen ver­mag). Als durch den Ver­kauf Lei­ce­sters die An­ge­le­gen­heit durch die­sen de­mon­stra­tiv zur Bla­se er­klärt wird, be­sitzt er nicht die Stär­ke, aus­zu­stei­gen.

Man kann die­sen Ro­man durch­aus als Pa­ra­bel ka­pi­ta­li­sti­scher Ex­zes­se oder viel­leicht so­gar des Ka­pi­ta­lis­mus sel­ber le­sen. Der Mi­kro­kos­mos Gro­nau dient als An­schau­ungs­ob­jekt für Vor­gän­ge die­ser Art und so ganz ne­ben­bei wird mit der Fa­ma mensch­li­cher Un­zu­stän­dig­keit und Un­ver­ant­wort­lich­keit an ei­ner sol­chen Bla­se auf­ge­räumt. Die Fol­gen wer­den me­ta­pho­risch ver­packt: Die ein­zi­ge de­zi­dier­te Kri­ti­ke­rin der Ver­hält­nis­se (Mag) stirbt bei dem Ver­such, dem Sy­stem zu ent­flie­hen. Die an­de­ren Prot­ago­ni­sten sind ge­bro­che­ne Per­sön­lich­kei­ten oder wer­den zu (psy­chi­schen und/oder phy­si­schen) Ver­sehr­ten. Ei­ni­ge wer­den un­heil­bar krank oder sie­chen (in Dro­gen­kli­ni­ken) da­hin. Fa­mi­li­en­ban­de lö­sen sich auf, falls sie je­mals vor­han­den wa­ren. Selbst der Op­por­tu­nist, der als ein­zi­ger schein­bar »an­ge­kom­men« ist (Nitzschke), wirkt nicht glück­lich. Un­klar bleibt am En­de das Los Wen­zels.

Glück­li­cher­wei­se ver­mei­det der Au­tor so­wohl den er­ho­be­nen Zei­ge­fin­ger wie auch über­instru­men­ta­li­sie­ren­de Me­ta­phern. Die Haupt­fi­gur wird we­der ei­ner wohl­fei­len The­se »ge­op­fert« noch als toll­pat­schi­ger Trot­tel ver­harm­lost. Die Au­to­no­mie des Le­sers und des­sen Re­fle­xi­on bleibt er­hal­ten und wird nicht be­vor­mun­det; es gibt kei­ne pe­ne­trant vor­ge­tra­ge­ne »Bot­schaft«. Ge­le­gent­lich knirscht es ein biss­chen in der Spra­che und be­son­ders ge­gen En­de er­scheint Wen­zel im­mer noch ein biss­chen zu na­iv. Aber »Die Re­ser­ven« hin­ter­lässt ei­ne er­staun­li­che Wir­kung: man be­kommt die­sen Wen­zel Hof­mann, der heu­te 60 Jah­re alt wä­re, so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Und man hät­te ger­ne noch wei­ter­ge­le­sen.


Die kur­siv ge­setz­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch

17 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich freue mich dar­auf, die­ses Buch nach Ih­rer Re­zen­si­on selbst zu le­sen. Ha­be das Ge­fühl, Sie sind wie­der auf ei­nen in­ter­es­san­ten Au­tor ge­sto­ßen. :)

  2. Aber wie so oft fin­den Bü­cher aus Klein­ver­la­gen ih­ren Weg nicht in die Ka­ta­lo­ge der Groß­buch­händ­ler (Bar­sor­ti­men­te), so­daß ih­rer Ver­brei­tung Hin­der­nis­se in den Weg ge­stellt wer­den – so al­so auch hier.....

  3. Die Per­len
    Ha­be mir heu­te »Die Re­ser­ven« in der Buch­hand­lung be­stellt, Lie­fer­dau­er, so die Aus­kunft, könn­te ei­ne Wo­che dau­ern. Na, mal se­hen. Und ger­ne ge­be ich Ih­nen ei­ne Rück­mel­dung zum In­halt des Bu­ches.
    @ ti­ni­us & @ gre­gor keu­sch­nig: Lei­der kön­nen sich vie­le aus mei­nem Be­kann­ten­kreis oh­ne Ama­zon-on­line-Be­stel­lung und Lie­fe­rung gleich am näch­sten Tag, kei­nen Buch­kauf mehr vor­stel­len. Ich ge­hö­re zu den Di­no­sau­ri­ern in Be­zug auf Un­ter­stüt­zung klei­ner Buch­lä­den, klei­ner Ver­la­ge ( auf an­de­rer Le­bens­ebe­ne, Ein­kauf auf hie­si­gen Wo­chen­märk­ten statt in Dis­coun­tern), ei­ne Buch­be­stel­lung, wenn es nicht drin­gend be­nö­tig­te Fach­li­te­ra­tur ist, darf ger­ne et­was dau­ern.
    Pres­se­wirk­sa­me Un­ter­stüt­zun­gen ko­sten viel Geld, viel Zeit, viel Per­so­nal, da sag ich Ih­nen nichts Neu­es. Dem Klein­ver­lag feh­len ja die­se Mit­tel. Was er aber da­für hat, ist die In­di­vi­du­al­tät, die er ver­sucht im Mo­loch Buch­markt-Wett­be­werb zu be­hal­ten und nicht sel­ten sind des­halb de­ren Au­toren Per­len, die es zu le­sen gilt. Und dar­in be­steht in mei­nen Au­gen dann wie­der Hoff­nung, denn trotz der Le­se­fut­ter­kon­su­men­ten gibt es zum Glück noch Le­ser der schö­nen Li­te­ra­tur. LG l‑s

  4. Es ist über den Bü­cher­la­den nicht mög­lich ge­we­sen, das Buch zu be­stel­len ( die an­ge­ge­be­ne Adres­se war we­der über Fax noch te­le­pho­nisch er­reich­bar). Ich ver­su­che es jetzt on­line – di­rekt beim An­bie­ter.
    Hät­te Ih­nen ger­ne schon ein Feed­back ge­ge­ben und viel lie­ber schon das Buch ge­le­sen. LG

  5. On­line hat die Be­stel­lung an­stands­los ge­klappt: ha­be ge­ra­de das Buch aus dem Brief­ka­sten ge­zo­gen. :) LG l‑s

  6. Ei­ne Öl­rauschs­to­ry mit mensch­li­chem Tief­gang
    Viel­leicht hat­te Os­car Heym die gro­ße Gold­grä­ber­stim­mung vom Klon­di­ke Ri­ver vor Au­gen, als er die­se Ge­schich­te schrieb. Oder auch den Film „Gold­rausch“ ( 1925 ) von Char­lie Chap­lin. Auf je­den Fall ist es ihm ge­lun­gen, ei­ne raff­gie­ri­ge Ge­sell­schaft zu por­trä­tie­ren, die sich auf den Weg macht, um kräf­tig Geld zu ma­chen und in der es am Schluss mehr Ver­lie­rer als Ge­win­ner gibt.

    Auf Sei­te 64 fal­len Wor­te, die ge­nau dies wie­der­ge­ben:
    „ Ich dach­te an ei­ne Kar­te von Penn­syl­va­nia, dort, wo vor Jahr­zehn­ten die er­sten Fun­de ( Anm.: Öl) ge­macht wor­den wa­ren, an die ver­kar­ste­ten Hän­ge, die al­les Na­tür­li­che ver­lo­ren hat­ten, nach­dem der Öl­rausch über sie ge­zo­gen war, die­ses al­lein­ge­las­se­ne, ver­wü­ste­te Land, die ent­ehr­ten Ge­sich­ter der Män­ner, die ihr Le­ben für die Hoff­nung auf Öl ge­ge­ben hat­ten, und ich stell­te mir vor, wie die Men­schen hier aus­se­hen wür­den, wenn einst al­les vor­bei wä­re: Ein­ge­ritz­te Fal­ten, ver­dreck­te, kran­ke gel­be Au­gen, die Er­kennt­nis, dass man, so sehr man sei­nen Kör­per auch schin­den mag, nie­mals reich wer­den, nie das Aus­maß an Glück er­lan­gen wird, das an­de­ren zu­fällt.“

    Mir ge­fällt am Ro­man be­son­ders gut, wie Heym die Fi­gur Wen­zel Hoff­mann ent­wickelt. Ein erst jun­ger op­ti­mi­sti­scher Geo­lo­ge wird sie­ben Jah­re spä­ter ein (fast) zer­bro­che­ner ent­ehr­ter Mann sein. Und wie er­staun­lich, dass die­se ge­beu­tel­te Per­son am En­de der Ge­schich­te trotz­dem wie­der Hoff­nung auf ein Le­ben mit Aus­sicht schöpft, ob­wohl die vie­len Schick­sals­schlä­ge, die sich in Wen­zels per­sön­li­chem Um­feld un­heim­lich häu­fen, mir als Le­se­rin fast die Hoff­nung auf ei­ne po­si­ti­ve Zu­kunft nimmt.
    An ge­sell­schafts-po­li­ti­schen Sei­ten­hie­ben lässt der Au­tor es nicht man­geln, die ha­ben mir im­mer wie­der gut ge­fal­len.

    Aber es gibt an die­sem Ro­man auch zwei Din­ge, mit de­nen ich mich schwer an­freun­den kann, au­sser der Au­tor sieht sein Werk als ei­nen Vor­läu­fer für ein Dreh­buch an, dann wä­re die Per­spek­ti­ve si­cher an­ders:
    Da wä­re zum Ei­nen die Lie­bes-und Agen­ten­ge­schich­te der Mar­ga­re­the. So ei­ne Lie­bes­ge­schich­te kann durch­aus im Le­ben so ver­lau­fen, die Agen­ten­ge­schich­te wirk­te auf mich auf­ge­setzt, ein­schließ­lich der mas­si­ven „Vil­len­ver­wan­zung“ und das frei­wil­li­ge woh­nen dort ( in der Nä­he ei­nes Men­schen, Frau Krie­ger, die bis zum Schluß bös­ar­tigst ist). Dies er­scheint mir für den an­son­sten sehr rea­li­sti­schen Ro­man z.T. sur­rea­li­stisch.
    Und dann emp­fin­de ich die Pas­sa­gen, in de­nen O. Heym die Land­schaft be­schreibt, lang. Über­haupt wur­de ich das Ge­fühl nicht los, das man­che Ka­pi­tel lan­gam­tig wir­ken. Viel­leicht mag das dar­an lie­gen, dass sei­ne Be­schrei­bun­gen häu­fig wie Auf­zäh­lun­gen wir­ken. Das macht das Gan­ze et­was be­hä­big.
    War­um fin­den sich un­kor­rek­te Sät­ze?
    Wie z.B. auf Sei­te 156: „ Der Traum in die­ser Nacht hat mit mei­nem Va­ter, der aus der De­menz er­wacht und wie­der bei kla­rem Ver­stand ist.“ oder auf Sei­te 176: „ Nachts hält sie nicht mehr aus oh­ne Mor­phi­um.“

    Ih­rem Ver­gleich, die­sen Ro­man als Pa­ra­bel ka­pi­ta­li­sti­scher Ex­zes­se zu se­hen, kann ich mich an­schlie­ßen.
    Sie über­le­gen in ih­rem viert­letz­ten Ab­schnitt, wo­her die Ge­dächt­nis­lücken des Wen­zel Hoff­mann kom­men könn­ten. In dem jun­gen Al­ter, in dem sich Wen­zel Hoff­mann zum Zeit­punkt der Hand­lung be­fin­det, kann es kaum ei­ne de­men­zi­el­le Er­kran­kung sein ( ich spe­ku­lie­re, dass der Au­tor das auch nicht dach­te). Ich schlie­ße eher auf Ver­drän­gung hin, denn Wen­zel Hoff­mann ist mit dem ge­sam­ten Ge­sche­hen über­haupt nicht ein­ver­stan­den, er macht aber voll und ganz mit und sei­ne ein­zi­ge Lie­be, die zu Mar­ga­re­the, die nach an­fäng­li­chem Hoch in mei­nen Au­gen ein Mar­ty­ri­um wird, das könn­te eher ei­ne Psy­cho­se aus­lö­sen und die wie­der­um kann zu Ge­dächt­nis­lücken füh­ren.

    Mein Fa­zit nach der Lek­tü­re: Ein le­sens­wer­tes Buch, de­ren In­halt sich wun­der­bar für ei­nen Film eig­nen wür­de.
    ( Anm. 1 : Es gibt ei­ni­ge Per­so­nen in dem Buch, mit de­nen ich mich im obi­gen Text über­haupt nicht be­schäf­tigt ha­be und de­nen ei­gent­lich ab­so­lu­tes Ge­hör ge­wid­met wer­den müss­te. Sie spie­geln näm­lich mit ih­rer Per­sön­lich­keit ( z.B. Frau Krie­ger auf der ei­nen Sei­te) un­ser Ge­sell­schafts­bild wie­der. Aber das liegt ein­fach an der Län­ge des Tex­tes, den ich ent­wer­fen müss­te und da pas­se ich aus zeit­li­chen Grün­den ).
    ( Anm. 2: Os­car Heym’s Blick zielt ( in die­sem Ro­man) nach Ame­ri­ka und dem dor­ti­gen „Öl­rausch“. In mir tauch­ten beim Le­sen im­mer wie­der Bil­der aus Ni­ge­ria auf; Shell hat das Land schreck­lichst aus­ge­beu­tet und die Land­schafts-und Men­schen­bil­der ( u.a. die auf­tre­ten­den Krank­hei­ten, die Heym nach der Aus­beu­tung be­schreibt ), pas­sen auch dort ge­nau­so hin.

  7. Dan­ke für die Rück­mel­dung
    D’­ac­cord mit Ih­ren Ein­wän­den, wo­bei ich an ein Drehbuch/Film gar nicht ge­dacht hat­te.

    Die Lie­bes­ge­schich­te mit Meg wirkt in der Tat manch­mal ein biss­chen auf­ge­setzt und der Ro­man be­kommt dann sur­rea­le Zü­ge, et­wa di­rekt am An­fang, als der Prot­ago­nist ein­fach ei­ne Wo­che mit ihr zu­sam­men bleibt und dann ver­spä­tet zum Ter­min er­scheint, dies je­doch nicht auf­zu­fal­len scheint. Wenn die Lie­be zu Meg ein Spie­gel von Wen­zels »See­len­le­ben« sein soll, dann ist das auch nur zum Teil ge­lun­gen.

    Die fal­schen Satz­kon­struk­tio­nen hal­te ich ein­fach für Druck­feh­ler bzw. feh­len­des Lek­to­rat.