Ich hatte mir eigentlich vorgenommen über das sogenannte Journalisten-Bashing nichts zu schreiben. Da gibt es kluge Artikel wie den von Stefan Niggemeier, der den Gründen innerhalb der Zunft nachspürt und irgendetwas wie einen dritten Weg zwischen Verschwörungstheorie und branchenüblichen Durchhalteparolen nebst partieller Jubelarien versucht.
Aber dann gibt es den Artikel von Bernhard Pörksen auf ZEIT-Online, der eine Ehrenrettung des Journalismus versucht. Weniger die Tatsache an sich ist bemerkenswert, als die Art und Weise in der dies geschieht.
Zu Beginn räumt Pörksen Verfehlungen des Journalismus ein. Dennoch hält er – so der Schluss aus seinen Ausführungen – die Reaktionen darauf für überzogen. Wut und Skepsis habe sich in Hass verwandelt. Dokumente dieser Medienverdrossenheit findet er in einer Studie aus dem Jahr 2010. Immerhin konstatiert er, dass es nicht den einen Grund gebe, sondern eine Vielzahl von Aspekten, die zu dieser negativen Sicht auf den Journalismus führe.
Pörksen zählt zwar die einzelnen Aspekte auf (Einfluss von Lobby- und PR-Agenturen auf Journalismus; die überbordende Skandalisierungsrhetorik, usw.), unterlässt es jedoch, auf sie etwas genauer einzugehen. Stattdessen widmet er sich den Kritikern und findet verwirrte Reichsdeutsche […] wie Friedensbewegte darunter. Zunächst soll damit die Spannbreite der Unzufriedenheit jenseits politischer und weltanschaulicher Grenzen dokumentiert werden. Auf den zweiten Blick dient diese Formulierung aber auch dazu die am Journalismus unserer Tage Zweifelnden zu denunzieren. Bei der Zuweisung als »Reichsdeutsche« leuchtet das sofort ein, aber auch »Friedensbewegte« wird hier pejorativ eingesetzt. Zwischen den Zeilen wird erstmals die moralische Frage an den Leser gestellt: ‘Willst Du in dieser Reihe stehen?’
Um den Abscheu noch zu kultivieren, werden noch hastig andere Figuren ins Spiel gebracht: Eva Herman etwa und, am Ende des Kapitels, auch noch Udo Ulfkotte. Pörksen spielt bewusst mit der Angst des Rezipienten, den »falschen Leuten« Beifall zu spenden (eine Angst die übrigens auch Stefan Niggemeier kennt). Da die Beweislage etwas dürftig ist, werden die Bücher von Christian Wulff, Bettina Wulff und Thilo Sarrazin sofort in einen Topf geworfen. So wird aus Christian Wulffs Buch eine »Abrechnung« gemacht, ohne auch nur zu erwähnen, in welchen Punkten er durchaus zu Recht die Kampagne gegen ihn kritisiert.
Pörksen stellt dann fest, wie die Medienverdrossenheit entsteht:
Ihr Unbehagen entzündet sich stets am konkreten Beispiel, das mit großer Entschiedenheit zum allgemeinen Schicksal umgedeutet wird. Eigene Erfahrungen in der Politik, ein individuelles Skandalisierungserlebnis – stets führt der Weg des Denkens vom Einzelfall zum grundsätzlichen Urteil…
Das Schließen vom Einzelfall auf das Allgemeine nennt man induktiv. Induktive Schlüsse münden medial in pauschale Feststellungen. Fast der gesamte Nachrichtenjournalismus funktioniert mit einer Kette von pauschalen, vereinfachenden Urteilen, die zu Verallgemeinerungen und dann zu feststehenden Typisierungen führen. Fatal ist, dass sich an diesen Typisierungen dann die Beurteilung der Vorgänge orientiert. Wenn man einmal Putin als Feindfigur gezeichnet hat, orientieren sich im Laufe der Zeit alle Berichterstattungen über Putin daran. Dabei muss man gar nicht die per se sehr diffizilen und von wechselseitiger Propaganda verseuchten kriegerischen Konflikte wie bspw. in der Ukraine heranziehen. Schon in der Berichterstattung über die Internetbranche und die hier stetig verwendeten Pejorationen in Bezug auf die »Datenkraken« zeigt sich dieses Verfahren. Verallgemeinerungen sind für den schlagzeilenbasierte Tagesjournalismus gang und gäbe; vielleicht bis zu einer gewissen Form sogar notwendig. Wenn nun Rezipienten von einzelnen fehlerhaften journalistischen Leistungen auf eine ganze Branche schließen, so betreiben sie im Grunde damit exakt das Geschäft des Journalismus – nur unter umgekehrten Vorzeichen.
Pörksen nennt die großformatigen Verfalls- und Verwahrlosungsthesen nicht nur überzogen, sondern sogar gefährlich, weil sie – Achtung! – das Vertrauen in den Journalismus untergraben. Streng genommen ist diese Argumentation ein Zirkelschluss:
Es gibt kein Vertrauen in den Journalismus mehr
-> Das führt zu Kritik
-> Diese Kritik untergräbt das Vertrauen in den Journalismus
-> Neue und mehr Kritikusw., usf.
Die Lösung wäre dann nicht, den Journalismus zu befragen. Die Lösung bestünde darin, mit der Kritik aufzuhören.
Pörksen verweist – durchaus zu Recht – auf journalistische Spitzenleistungen und nennt hier die hartnäckigen Recherchen in der NSA-Affäre. Dabei vergisst er, dass diese Affäre erst durch Edward Snowdens Aufdeckungen publik wurde. Die journalistische Leistung bestand darin, diese Enthüllungen aufzuarbeiten und zu präsentieren (man kann im Einzelfall diskutieren, ob das gelungen ist).
Gelobt wird die Fehlerberichterstattung der ARD zum Ukraine-Konflikt. Aber wann wurden diese Dementis publiziert? In der ARD-Tagesschau um 20.15 Uhr? Gab es wenigstens einen Hinweis darauf, die Webseite zu konsultieren? Provokativ gefragt: Warum muss man den tagesschau-Blog lesen, um ein umfassendes Bild zur Ukraine-Berichterstattung der ARD zu erhalten? Und was ist eigentlich mit dem ZDF? Gab es hier keine korrigierwürdigen Fehler?
Nachdem Pörksen zwischenzeitlich als Friedensangebot an das Publikum unterbreitet und ihm gönnerhaft den Status der Fünften Gewalt feierlich übertragen hatte (wobei er schlichtweg vergaß, dass alle Staatsgewalt ja sowieso vom Volk ausgehen soll), widmet er sich in seinem Schlussakkord wieder der Sorge um den Journalismus. Die grassierende Medienverdrossenheit sei fatal und vergifte das Beziehungsklima, von dem guter Journalismus lebt. Welches Beziehungsklima meint Pörksen? Das zwischen Medien und Publikum – das wurde doch vorher schon als Medienverdrossenheit bestimmt. Oder wird hier ein kleiner Hieb gegen die »Nestbeschmutzer« in der eigenen Branche ausgesprochen? Man erinnert sich ja noch daran, wie einige von ihnen neulich den »kaputten« Onlinejournalismus reparieren wollten…
In der NZZ war auch ein seltsamer Artikel, durchaus verwandt, vielleicht schreibe ich noch etwas dazu. Ich fand Pörksens Text schwammig, unklar, dabei ist er Medienwissenschaftler und die Thematik eigentlich gut zu »greifen« (allerdings war ich beim Lesen schon müde).
Hervorragende Analyse! Danke.
Also, wenn das, was Pörksen da präsentiert, Früchte seiner Medienwissenschaft sind, könnte man den Studiengang eigentlich auch zumachen.
Es liegt doch auf der Hand, was gerade passiert:
De-Professionalisierung des Journalismus (lässt sich auch an der Bezahlung ablesen) durch leichte Zugänglichkeit von auch qualitativ hochwertigen Informationen und Weltbildbausteinen (aka Internet);
De-Legitimierung des Gate Keeping, weil das Internet jetzt wirklich sichtbar macht, was alles außerhalb der Tore gehalten wurde / wird / werden soll;
immer weitere sozio-ökonomische, kulturelle und habituelle Sub-Differenzierung der »Konsumenten»schaft (wobei der Blick auf Leser und Zuschauer als Konsumenten schon Teil des Problems ist), so dass das Kontinuum zwischen ihenn und ihren Lesern, von der Journalisten und »Qualitätsmedien« ausgingen, als Ideologie entlarvt wird und zu einem umso ideologischeren Agieren auf beiden Seiten zu führen scheint (z. B. in den ganzen Konflikten um inklusvie Sprache etc.)
Dass vielen Journalisten und auch Medienorganisationen nichts besseres einfällt, als ausgerechnet die Leute zum Endgegner zu stilisieren, die sie überhaupt noch mit Engagement lesen und wahrnehmen, – das ist dann ganz besonders seltsam.
Die Medien, wie wir sie kannten, sind vorbei – und wie das Neue aussehen wird, daran wird noch fleissig gebastelt (auch hier in dem wunderbaren Blog, den der Hausherr unterhält und mit klugen Texten vieler Nicht-Journalisten füttert)
@Doktor D
Ich wäre mit den Abgesängen vorsichtiger. Leute wie Pörksen bedienen längst einen gewissen (selbstreferentiellen) Markt, der gut geschmiert ist. Die Gate-Keeper-Funktion ist noch länger bei den üblichen Verdächtigen untergebracht. Unlängst hat Wolfgang Michal beschrieben, wie der öffentlich-rechtliche Betrieb alleine durch das Geld noch sehr lange überleben wird. Mit ihm dann einige wenige große überregionale Blätter, die sich moderat verändern werden. Dann werden solche Blogs wie hier womöglich längst im virtuellen Nirwana (respektive web.archive.org) abgetaucht sein.
Materialiter werden sich die Organisationen noch länger halten, das vermute ich auch. Aber ihre Bedeutung ist vorbei – und wie weh das tut, sieht man ja jetzt schon ganz gut. Für Literatur und Kunst haben die klassischen Medien und ihre Formate schon fast gänzlich an Bedeutung verloren. Mein Buchhändler zum Beispiel sagt, für seine Umsätze spielen die Feuilletons und Messebeilagen schon keine Rolle mehr. Die Leute informieren sich viel ekklektischer als früher, was das Geschäft aber auch schwieriger macht.
Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die »Skandale« im Literaturbetrieb schon vor den Messebeilagen »verhandelt« werden. Die Beilagen selber kamen mir immer schon wie Pflichtübungen vor; die Kür wurde vorher eingeläutet. Dass die Literaturkritik generell weniger Einfluss hat, glaube ich allerdings auch.
Gerechter wäre gewesen, den FAS-Artikel Niggemeiers mit dem Text Pörksens zu vergleichen, da beide in so genannten Qualitätsmedien veröffentlicht wurden und deshalb besser zu vergleichen sind. Dann hätte man zum Beispiel sehen können, dass Niggemeier sich auf die fehlende Selbstkritik der handelnden Personen beschränkt, während Pörksen eine abstraktere Sicht auf die Dinge hat und dabei eben auf das Publikum schaut. Insgesamt aber ist der Unterschied zwischen den Texten so groß eher nicht, behandeln sie die Sache doch aus der Sicht der Massenmedien – interessant wäre imho mal ein Text aus Sicht des kommentierenden Publikums.
»Gerechter«? Was ist denn das für eine Kategorie? Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich keine Empfehlungen brauche, was und wie ich hier zu schreiben habe.
Ich wusste nicht, dass hier nur Jubelperser gefragt sind. Das war keine Empfehlung, sondern eine Meinung. Löschen Sie doch bitte meine Einträge; ich habe Sie offenbar missverstanden.
Ja, Meinungen kann ich überall haben. Die brauch ich nicht.
Die Begründung ignorieren Sie aber, nicht wahr?
Pfff.
Wie gesagt: bitte löschen Sie meinen Mist hier; ich möchte Ihre Selbstgerechtigkeit nicht mit meinem Namen in Verbindung gebracht wissen.
Danke.