Brigitte Baetz vom Deutschlandfunk hat den »lieben Kollegen« von FAZ und FAS einen Brief geschrieben. Sie verwehrt in diesem Brief gegen das ewige Lamento der Frankfurter den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als »Staatsrundfunk« und von »Zwangsgebühren« finanziert zu kritisieren.
Das kann man machen.
Aber wie so oft macht der Ton die Musik.
Und dieser Ton, den Frau Baetz anschlägt, ist an Häme, Arroganz und Selbstgefälligkeit nicht zu überbieten. Sie brüstet sich mit Mitteln, für die sie (die Anstalt) nichts zu tun braucht, die ihnen sozusagen per Richterbeschluss ein ums andere Mal zugesichert werden.
Und Frau Baetz spricht von Staatsferne, die, so will es ja das geduldige Papier, auf dem die Ideale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einst niedergeschrieben wurden, herrschen soll. Der Blick auf die Gremien der Deutschlandradio-Sender zeigt anderes.
Da gibt es einen achtköpfigen Verwaltungsrat. Offiziell besteht er »aus drei Vertretern der Länder, einem Vertreter des Bundes und jeweils zwei Vertretern von ARD und ZDF. In der Wikipedia liest das deutlicher: Demnach besteht er aus je zwei Vertreter[n] von ARD und ZDF, drei Länderverteter[n] von den Ministerpräsidenten und eine[m] von der Bundesregierung«.
Aktuell bedeutet dies:
Dr. Thomas Bellut, ZDF (Vorsitzender)
Tom Buhrow, ARD (stellvertretender Vorsitzender)
Björn Böhning, Land Berlin
Karin Brieden, ZDF
Dr. Marc Jan Eumann, Land Nordrhein-Westfalen
Prof. Monika Grütters, Bundesregierung
Stefan Grüttner, Land Hessen
Dagmar Reim, ARD
Böhning, Eumann, Grütters und Grüttner sind Politiker reinsten Wassers. Karin Brieden, eine Vertreterin des ZDF, ist ebenfalls SPD-Mitglied. Die Qualifikationen der Politiker für einen Verwaltungsrat einer Rundfunksender-Kette liegen einzig und alleine in ihrer Zugehörigkeit zu den jeweiligen Parteien. Ihre Fachkenntnisse dürften überschaubar sein.
Der Hörfunkrat besteht aus normalerweise 40 Mitgliedern – derzeit sind es 38. Hiervon sind 16 Ländervertreter (allesamt politischen Parteien zuzuordnen), drei Abgesandte der Bundesregierung und 21 Vertreter von »relevanten« gesellschaftlichen Gruppen (zwei Positionen derzeit nicht besetzt). Somit liegt der fest zuzuordnende parteipolitische Anteil bei 19 Teilnehmern. Auf eine Recherche zu Parteimitgliedschaften der anderen Mitglieder wurde dabei verzichtet.
»Staatsferne« ist die Floskel mit der der öffentlich-rechtliche Rundfunk für sich trommelt. Die Praxis sieht anders aus wie es zuweilen immer einmal publik wird. Womöglich ist die Formulierung »Staatsrundfunk« zu hart, aber der Einfluss der politischen Parteien über die Gremien zu leugnen, ist lächerlich. Vor allem von den Journalisten, die ansonsten hinter privat finanzierten Einrichtungen bei jeder Gelegenheit – zu recht! – Interessenkonflikte entdecken.
Selbst der letzte Ausweg um dieses Gewäsch irgendwie zu rechtfertigen – die Ironie – steht nicht zur Verfügung. Hierfür fehlt es der Verfasserin schlichtweg an Eleganz. Wie erbärmlich.
Fast könnt’ ich es ja verstehen, der Michael Hanfeld z.B., mit seiner Dauerleier kann einem schon gehörig auf den Senkel gehen.
Aber leider.. Wir können uns ja gerne einbilden unsere Berichterstattung sei irgendwie neutraler, ausgewogener, niveauvoller als in Russland oder der Türkei. Aber da sind schon einmal die schlichten Fakten, die Sie aufzählen und wenn man versucht, das ganze von außen zu sehen, dann gibt es eben auch klare Tendenzen eigentlich quer durch fast alle deutschen Medien.
Irgendwie bin ich als Radiohörer bei WDR3 hängengeblieben. Die sind für mich schon so sehr in ihre kulturelle Nische entrückt, dass ich das wenige an üblichem Russland, Türkei und Trumpgebashe was es da gibt, meistens ignorieren kann. Der Deutschlandfunk hat sich da ein paar mal unrühmlich hervorgetan, wie jetzt auch – ist das da tatsächlich penetranter?
Wenn es denn nur fehlende Eleganz wäre. Ich finde die zur Schau gestellte, mit teilweise höhnischer Ignoranz gepaarte Arroganz viel widerlicher.
Nein! Ich bin kein großer Freund von unser aller FAZ-Hanfeld, nichtsdestotrotz muß man ihm konzedieren, daß er sich seit über 20 Jahren immer wieder an offenkundigen Widersprüchlichkeiten der ÖR abarbeitet.
Aber ich brauche sie auch nicht mehr. Zumindest nicht das, was deren Verantwortliche für relevant für’s quotenträchtige 90%ige Ü60 Publikum halten, welches ihnen eine im Grunde genommen erbärmliche Quote um 12% sichert. Da helfen dann auch teure 0815/Tatorte, ESCs und Fußball nicht wirklich. Eher Biathlon! In wenigen Jahren gehöre ich auch dazu. Bin ich dann am Ende sogar moralisch verpflichtet, Koch/Trödel/Rate/kunterbunte 3–4stündige Samstagabendshows, Brisant, was mit Ärzten, Adel, Zootieren, Schäuble-Tochters Degeto-Scheiß zu konsumieren? Obwohl ich prinzipiell kein Kommerzfernsehen sehe (Ok, vielleicht mal wg dieser Rechte Fußball). Ich bezahle jetzt schon freiwillig Netflix.
Letztlich sichert doch nur noch das enge Verhältnis, sprich der Einfluß, von Politik und deren parteipolitisch intendierte Bestallung der Judikative den ÖR in seiner jetzigen Form. Auswüchse, Finanzierung (Gehälter, Renten, Produktionsfirmen, »Freie« mit beliebigen Nebenbeschäftigungen) sind kein Thema, und wie der »Rundfunkbeitrag« durchgewunken wurde – der jetzt nicht mehr von der GEZ als Zehnt, sondern von einem noch einmal aufgeblähten »Beitragsservice« eingetrieben wird -, ist nur noch grotesk. Manche nennen es halt »Demokratieabgabe«. Es ist halt eine Klasse, der es weil sie dazugehört, nicht allzuschwer fällt, sich mit (minimalem Seitenstechen) den obwaltenden Umständen zu arrangieren. Da macht man dann auch gerne alle vier Wochen ein Betroffenheitsstück darüber, daß der Beruf des Freien Journalisten dieser Tage kein einfacher ist. Nach Möglichkeit aber den Begriff prekär vermeiden.
Jetzt aber mal zum DLF: Diese spezielle Sendung, die Frau Baetz mitverantwortet, war bei mir nach drei Tagen durch! Ähnlich wie Zapp weitgehend pseudokritisch, banal und irrelevant. Den Freien seien jedoch ihre Honorare gegönnt.
Ansonten ist es für mich eh ziemlich traurig, in welche Richtung der DLF, den ich seit über 30 Jahren immer noch 5–10 Stunden am Tag höre, entwickelt. Den Neoliberalen eine Chance, Osteuropacovering uninteressant, Börse ganz wichtig. Und wenn Detjhen oder Wentzien »Elefanten« interviewen, trieft der Schleim. Für wen machen die das wohl?
Als ob das alles nicht genug wäre: Jetzt geht man auch noch mit der Zeit und hat sich eine multiple »Stationvoice-Trailer-Piepserei« mit vielen kleinen, zu jeder sich bietenden Gelegenheit zu versendenden, Jingles zugelegt, von mir lediglich als anbiedernd unangenehm empfunden, die bei mir permanent das Adrenalin hochjagt. (Ob 8000€ verbuchtes Honorar dafür zu niedrig angesetzt ist? Weil so etwas macht man schließlich außer Haus – dafür hat man schließlich keine Leute). Kriegt man jetzt und damit junge Hörer?
Daß man dann, um Kosten zu sparen, das ganze ehemals journalisch anspruchsvolle, weitgefächerte Nachtprogramm in die Tonne kloppt, um mehrfach gelaufene Beiträge, die alle in der Mediathek nachzuhören sind, noch mal durchmoderiert versendet, zeigt, in welche Richtung es wohl geht.
Traurig halt.
Danke für die Kommentare. Natürlich ist Hanfeld was die öffentlich-rechtlichen Medien angeht ein bisschen ideologisch abgedriftet. Das Imperium schlägt nun zurück und subsummiert »Staatsrundfunk« und »Zwangsgebühren« zu Unwörtern. Das ist einfach, macht nicht viel Schmutz und gibt einem das Gefühl auf der »richtigen« Seite zu stehen.
Im Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Medienangeboten ist die Deutschlandradio-Kette ja wirklich noch eine Sahnestückchen, auch wenn hier inzwischen der Rationalisierungshammer kreist. Ich persönlich halte ör-Medien generell für sinnvoll, aber sie haben sich längst von ihrem »Auftrag« entfernt. Zudem bläht sich ein Wasserkopf an Bürokratie auf, der die überbordenden Programmangebote (man sehe sich die Anzahl der ARD-Radioprogramme an – außer WDR3, SWR2 und BR2 nahezu alles Dudelfunk) verwaltet. Vom Fernsehen mal gar nicht erst zu reden...
Was an der Debatte stört, ist die ständige Vermischung von Qualität des öffentlichen Rundfunks (ich schließe mich an: sie ist sinkend) und der Debatte um die Existenz eines relevanten öffentlichen Rundfunks überhaupt. Zu häufig wird an der Oberfläche um ersteres diskutiert, während in Wirklichkeit zweiteres gemeint ist. Was von FAZ, aber häufiger noch von Springer und Bertelsmann an kritischen Einwänden kommt, ist reine Kampagne, schlichter Interessenjournalismus. Und obwohl Dauerthematisierung bisher nicht zum Erfolg im Sinne einer Abschaffung geführt hat, zeigt sie doch erhebliche Wirkung in den Auflagen, die die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Rundfunks ständig beschneiden. Gäbe es sie nicht, wäre als Ergebnis der Debatte nicht ganz unwahrscheinlich, dass der private Funk überdimensioniert ist in seiner ständigen Wiederholung des Immergleichen. Wer einmal die Qualitätsentwicklung der RTL – Familie anschaut, kann eigentlich auch bei verminderten Ansprüchen nur zu depressiv machenden Ergebnissen kommen. Insofern bin ich – trotz allem Ärger, den ich teile – in solchen Debatten vorsichtig. Und dass privater Funk – und dieser ist als Alternative gemeint ja in der Regel – staatsfrei wäre, halte ich für ein Gerücht. Und dass er, wo er eventuell doch Qualität (leuchtende Ausnahmen, in aller Regel gute Käufe aus dem Ausland wie etwa Serien!) bietet, ist er keineswegs umsonst. Dass sich bei uns nicht flächendeckend Payangebote durchsetzen lassen, liegt nicht nur an der Qualität des Funks, sondern auch an seiner schieren Quantität. Und daran, jetzt ein ungewöhnliches Argument, dass der öffentliche Funk so enorm preisgünstig ist. Wer einen Moment überlegt, was er für ca. 20 € bekommt, wird Mühe haben, einen privaten Anbieter zu finden, der ähnlich günstig ist. Bertelsmann und Springer, die wohl wahrscheinlichen Alternativen, sind da nicht ansatzweise konkurrenzfähig – weder preislich, noch qualitativ, und auch nicht quantitativ. Das ist ein Schnäppchen.
Die Veränderungen in der D‑Radio-Familie sind ein eigenes Posting wert – insbesondere die Beiträge einiger Journalisten wie Sabine Adler (Ukraine, ohje!) und Rolf Clement (als Natosprecher) könnte man gesondert „würdigen“. Auch die Veränderung im literaturkritischen Bereich: weg von der Rezension, hin zum Interview und zur Reportage. Der Abgang des Klappentexters Denis Scheck schmerzt da wenig. Der gesamt Auftritt in der Flüchtlingskrise war zu Beginn unwürdig – wie allerdings überall, auch im privaten Funk. Interviews mit Merkel sind an Peinlichkeit kaum zu toppen. Aber dennoch: wenn ich schaue, was es an immer noch Bemerkenswertem gibt, finde ich es am ehesten dort. Grandios ist immer wieder die Wissenschaftssendung, die herausragende Leistung während Fukushima etwa ist mir unvergessen, in der der DLF durch Journalisten, die wissen, wovon sie reden, und die seit Jahren exzellente Kontakte in den Wissenschaftbereich international pflegen, geradezu eine Primärquelle war. Soetwas gibt es eben auch. Und auch „Neue Musik“ findet in diesen Sendern immer noch statt, auch mit eigenem Format. Die „Langen Nächte“ sind oft Perlen! Und so könnte man fortfahren…..
@Jumid
In vielem absolute Zustimmung. Und auch dahingehend was den monatlichen Betrag angeht. Das ist echt ein Schnäppchen, wenn man sich denn die Mühe macht die Sender zu durchforsten. (Seit hier neulich DVB‑T HD eingeführt wurde, müssen Teilnehmer ja für die PRIVATfernsehkanäle eine jährliche Gebühr von EUR 69 bezahlen – das halte ich für absolut zu teuer wenn man sieht, was dort angeboten wird). Aber es bleibt eben das unwohle Gefühl, sich nicht dem Recht der Desinformation bedienen zu können. Ein Sky- oder sonstiges Abo kann ich immer kündigen – die öffentlich-rechtlichen Angebote nicht. Das erzeugt das Gefühl einer Bevormundung. Wenn dann auch noch ständig der Gaul »Qualitätsjournalismus« geritten wird, kommt noch die peinliche Selbstbeweihräucherung hinzu. Da sind dann solche pseudoironischen »Liebesbriefe« wie der von Frau Baetz nicht nur kontraproduktiv sondern eben auch strategisch vollkommen daneben.
@Gregor Keuschnig
Da haben Sie natürlich in allem völlig Recht, der Brief ist unsäglich. Und die bräsige Selbstzufriedenheit insbesondere der Programmverantwortlichen lässt einem das verbalpolemische Messer in der Tasche aufklappen. Insofern war mein Posting nicht als direkte Gegenrede gegen Ihres gemeint. Angemerkt werden sollte nur, dass man schnell ins falsche Fahrwasser gerät. Ich plädiere dafür, Inhalts- und Gebührendiskussion zu entkoppeln, was zugegebenermaßen nur ansatzweise und analytisch möglich ist.
Nur: diese Staatnähe ist kein Spezialproblem des öffentlich ‑rechtlichen Rundfunks. Der ideologische Mehltau, der sich über so vieles legt, spiegelt, was die Gesellschaft sich so zumuten möchte und was nicht. Das ist durchaus kein Allgemeinplatz, den das, was man sich zumuten möchte, schwankt durchaus im Zeitverlauf. Im Moment sind wir glaube ich eher in einer Periode der dürftigen Bescheidenheit. Woran man das deutlich machen könnte, wäre etwa die ständige Themenübernahme durch Setzungen, das Einhalten von Sprachregelungen, die doch eher freiwillig erfolgen, das Sichbahnen – Lassen von Denkwegen, der unselige Zustand keine zweiten Fragen mehr in Interviews zu stellen etc etc. Man kann sich natürlich dazu am Deutschlandfunk abarbeiten, es hat nur mit der Gebührendiskussion begrenzt etwas zu tun. Denn die Bevormundung, die Sie beklagen und die ich auch oft sehe, wird nicht durch Finanzkürzung beendet. Da ist gar kein Zusammenhang. Sie können natürlich sagen, private Sender kann ich kündigen, und dann habe ich mir in einer Ersatzhandlung Luft gemacht und muss das wenigstens nicht finanzieren. Aber inhaltlich können Sie der Öffentlichkeit nicht kündigen, Sie können Sie nur anderen überlassen. Und dass Sie die privaten Anbieter nicht mitbezahlen, etwa über den sich im Kaufpreis spiegelnden Werbekosten, z.T. auch über Steuern, stimmt schlicht nicht. Und selbst der Bevormundung entgehen Sie nicht, denn diese kommt ja keineswegs nur über das bei Ihnen an, was Sie selbst aktiv rezipieren, sondern auch über das, was Freunde, Nachbarn und Facebookposter für die Wahrheit halten. So wird sie überhaupt erst politisch relevant, durch das einfache Aussprechen und Versenden an uns als Einzelne, die wir eventuell nicht hören müssen, ist sie das jedenfalls nicht.
Worauf es mir ankommt, läuft auf´s Folgende hinaus, und das denke ich nicht als Kritik an Ihnen: Ich möchte gerne den Abschaffungsbefürwortern die Qualiltätsdiskussion entwinden. Sie muss in aller Offenheit und Schärfe geführt werden, bloß nicht in dieser Alibifunktion, in der man schnell ist. Und das Qualitätsargument wie auch das der Staatsferne billige ich vielen bis zum Beleg des Gegenteils – und das heißt: welche Alternative wollen die denn, wollen sie überhaupt eine? – nicht zu. Abschaffung des Staatsfunks fördert absehbar keine Qualität.
Die Frage, die sich für mich stellt ist nicht, wie man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begrenzen muss, damit für Private Luft bleibt, sondern eher, wie muss man ihn ausstatten, damit er konkurrenzfähig bleibt. Für mich ist der öffentlich – rechtliche Rundfunk eine Institution, man kann sie natürlich kritisieren und verändern wollen. Dass mit ihrer Abschaffung auch nur ein einziges Problem der Öffentlichkeit gelöst sei, inklusive der ihr vorzuwerfenden Bevormundung, halte ich allerdings für falsch. Möglicherweise sind wir uns einiger, als es gerade den Anschein hat.
@Jumid
Tatsächlich sind wir nicht weit auseinander. Was Sie über die Verquickung von Privatfernsehen und Umlage der Werbekosten auf den Preis sagen – d’accord. Und natürlich haben Sie recht mir ihrer Analyse der schleichenden Trivialisierung auch der öffentlich-rechtlichen Medien. Das hat übrigens damit zu tun, dass man sich von den Privatfernsehbefürwortern in den 1990er Jahren das Hase-und-Igel-Rennen um die sogenannte Quote (inklusive Zielgruppe) hat aufschwätzen lassen. Nicht zuletzt die FAZ hat hier über Jahre und Jahrzehnte immer die Legitimationsfrage gestellt; wenn beispielsweise ein Film oder eine Doku zur Hauptsendezeit nicht die entsprechende Einschaltquote hatte. Oder, im Gegenteil, wenn es darum ging Sportrechte zu kaufen...
Natürlich will ich die öffentlich-rechtlichen Medien nicht abschaffen. Aber es gäbe ganz sicher erheblichen »Renovierungsbedarf«.
Das Problem der Konkurrenzfähigkeit ist tatsächlich immanent. Wann schaut man auf die Quote? Womit misst man die Relevanz einer Kultursendung oder eines Fernsehspiels? Mit dem Dschungel auf RTL? Mit einem Länderspiel der Fußball-Nationalmannschaft? Warum traut man sich nicht mehr interessante Dokumentationen oder Filme zur Primetime zu senden sondern versteckt sie auf 23.00 Uhr (um danach dann die Quote zu beklagen)? Andererseits kann man sich natürlich nicht vollkommen vom Publikum abkoppeln. Ich beklage, dass die Balance zwischen Quantität und Qualität immer mehr zu Gunsten der Quantität verschoben wird, um eben Marktanteile als Rechtfertigung für die »Zwangsgebühren« zu verwenden.
Was die Selbstbeweihräucherung als »Qualitätsmedien« angeht, sollte man besser nach dem Grundsatz »Don’t tell it, show it!« verfahren.
Der Brief spricht sich sein sprachliches Urteil schon selbst, da muss man sich mit dem Inhalt eigentlich gar nicht mehr befassen, interessant ist allenthalben, dass das jemand offensichtlich ernst meint.
In Österreich haben wir sehr ähnliche Diskussionen, man kann sagen seit dem Beginn der zweiten Republik, das Rundfunkvolksbegehren mit über 800.000 Unterzeichnern gab es 1964. Heute sieht es so aus, dass im Stiftungsrat, der etwa einem Aufsichtsrat entspricht, 4 von 35 Mitgliedern nicht irgendwelchen Parteien zuzuordnen sind. Es gibt zwar gewisse Regelungen, dass keine Politiker irgendwelche Posten innehaben dürfen und eine vierjährige Sperrfrist, aber das ist viel zu wenig (die Parteien versuchen z.B. über sogenannte Freundeskreise ihren Einfluss zu wahren).
Es dürfte eigentlich niemand, der eine Parteimitgliedschaft innehat oder in einem Interessensvertretungsverein sitzt, im ORF, dem Stiftungs- oder Publikumsrat arbeiten dürfen oder Mitglied sein; das Freundeskreissystem gehört unterbunden. Dann könnte man einmal zu reden anfangen (und da gibt es noch genügend andere Dinge), denn die Begehrlichkeiten der Parteien werden in jedem politischen System, das einer repräsentativen Demokratie vergleichbar ist, stets vorhanden sein, da es ja in Wahlen um eine Machtposition geht und darum den Gegner schlecht und sich selbst und seine Vorhaben entsprechend gut darzustellen. Das Problem ist, dass entsprechende Gesetze von denjenigen beschlossen werden müssten, gegen deren Interessen sie sich wenden.
Interessant ist, dass der ORF es im Radiobereich geschafft hat ein erfolgreiches »Dödelprogramm« (Ö3) aufzustellen, warum schafft es ein privater Anbieter nicht umgekehrt, also ein Qualitätsprogramm zu etablieren?
Ein privater Anbieter wird kaum ein Qualitätsprogramm anbieten, weil es im Verhältnis zum Trash nicht im dem für Werbende relevanten Umfang gesehen oder gehört werden wird. In Deutschland müssen seit Einrichtung des Privatfernsehens auf RTL und SAT1 Kulturnischen gesendet werden (seit Anbeginn von dctp = Alexander Kluge). Irgendwo hatte ich mal gelesen, wie nach diesen Sendungen (die allerdings meist sehr spät – um Mitternacht herum – gelegt werden) die Einschaltquoten einbrechen.
Gerade heute ein Artikel von Jürgen Kaube zur Kontroverve Hanfeld/Baetz:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/von-staatsrundfunk-und-zwangsgebuehr-kommentar-zum-rundfunkbeitrag-15168540.html
Zur vollständigen Lektüre am besten auch die Kommentare der geneigten Leserschaft lesen, um zu sehen, wie Kaubes Restdifferenzierung dort fast komplett verschwindet.
Naja, Kaubes Text ist ausgewogen (die Spitze auf Schönenborn ist allerdings etwas böse) aber das man damit auch diejenigen heranholt, die man nicht möchte....geschenkt. Das ereignet sich in solchen Foren ja immer sehr rasch, dass Differenzierungen heruntergebrochen werden auf die üblichen Parolen und jeder nur das herausliest, was er möchte. Manchmal glaube ich, dass es sich damit um ein Bildungsproblem handelt: Man liest gar nicht mehr das, was in einem Text steht, sondern filtert ihn auf seine eigene Meinung hin und »missbraucht« ihn dahingehend dann.
Es ist nicht nur ein Bildungsproblem: Nachdem nahezu alles relativiert worden ist, darf man sich eigentlich nicht wundern, dass öffentliche Diskursräume eine Art Kampfarena werden, in der es um die Verteidigung der eigenen Ansichten und Interessen und um nichts anderes mehr geht, weil nichts anderes mehr gilt (Verkürzt: Dort wo der Wahrheitsbegriff aufgegeben wird, tritt das Interesse oder die Gruppe, u.ä., an dessen Stelle). Was mich manchmal allerdings wundert, ist, dass all die theoretischen Positionen und Überlegungen, dann doch Allgemeingut geworden sind, wenn auch mit Verzögerung. Hinzu kommt, dass unsere spät- oder postmodern verfasste Gesellschaft genügend Möglichkeiten bietet, sich eine bequeme Blase, ein eigenes System, zu schaffen, innerhalb dessen einen der Rest nicht interessieren muss.
Zu oben noch: Das Umfangsargument gilt doch genauso für die Qualitätspresse, daher mag ich das nur eingeschränkt gelten lassen. Es gibt z.B. Regionalradiosender, die ein reines »Klassikprogramm« senden, nonstop. Das ist zwar noch nicht das was ich mir unter Qualitätsprogramm vorstelle, aber sicher kein Mehrheitsprogramm und es funktioniert. Wenn man dann Schritt für Schritt qualitativ gute Sendungen einbaut, hat man auch ein werberelevantes Publikum, das man so selten ansprechen kann. Das Anbieten entsprechender Produkte, wäre eine weitere Möglichkeit. Klar, der andere Weg ist einfacher.
« ... Womöglich ist die Formulierung »Staatsrundfunk« zu hart, ...«
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»zu hart«? Das ist ungenau bis falsch.
Bei mir im Blog steht »Regierungsfunk«, denn dem Staat reden all diese ö/r- Radio und TV-Sender ja nicht nach dem Mund, sondern... Eben !
@Jumid: »Aber dennoch: wenn ich schaue, was es an immer noch Bemerkenswertem gibt, finde ich es am ehesten dort.«
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Das ist wie in den Gazetten: Um die Reklame (hier: Regierungspropaganda) tatsächlich an die Kunden zu bringen, packt man auf die noch freien Plätze dazwischen etwas »Bemerkenswertes«.