Die Berichterstattung um den Ausgang der Reichstagswahlen in Schweden zeigt sehr gut, warum der Journalismus in Deutschland derzeit keinen guten Ruf hat.
Bereits vor Schließung der Wahllokale wußte der Korrespondent der tagesschau, dass es ohne die rechten, sogenannten »Schwedendemokraten« (SD) keine Regierung geben wird. Dabei geht der Korrespondent davon aus, dass die bisherigen Blockbildungen der Parteien (»Rotgrün« als Mitte-Links-Bündnis und »Allianz für Schweden« als Zusammenschluß von drei eher konservativen Parteien) keine Mehrheit mehr für die eine oder andere Seite ergeben würde. Dies war jedoch bereits 2014 bereits der Fall. Schon damals war die SD der strategische Königsmacher – legt man die Blockbildung als sakrosankt fest. Da blockübergreifende Koalitionen scheiterten, regierte in Schweden seit vier Jahren eine Minderheitsregierung (»Rotgrün«) aus Sozialdemokratie und Grünen, die von der Linkspartei toleriert wurde.
Die Zugewinne der SD sind nicht so immens, wie dies in Vorberichten prognostiziert wurde (da war vom Erreichen des Status als zweitstärkste politische Kraft die Rede). Wahlverlierer sind vor allem die größeren Parteien in den jeweiligen Blöcken: Die Sozialdemokraten bei »Rotgrün« (minus 2,6%-Punkte) und die sogenannte »Moderate Sammlungspartei« (minus 3,5%-Punkte) im Rahmen der »Allianz für Schweden«. Von 6,9% auf 4,3% sackte auch die grüne »Milöjpartei« ab, die die Minderheitenregierung toleriert hatte.
Die Verluste der regierenden Parteien und der bürgerlichen Opposition sind also vorhanden, aber nicht derart dramatisch, wie dies dargestellt wird. Die SD kommt auf 17,6%, das sind zwar 4,7%-Punkte mehr als 2014, aber ähnliche Entwicklungen hin zu rechtspopulistisch agierenden Parteien gab und gibt es ja auch in anderen europäischen Ländern. Gleichzeitig konnten aber die Linkspartei wie auch die Zentrumspartei und die Christdemokraten zulegen. Genaueres kann man auf der Wikipedia-Seite lesen.
Insgesamt sackte »Rotgrün« um rund 3%-Punkte ab, während das Bündnis »Allianz für Schweden« sogar knapp 1% Zugewinn verbuchen konnte. Die Gewinne der SD mögen besorgniserregend sein, aber grundsätzlich gestaltet sich die Regierungsbildung von den Zahlen her kaum anders als 2014. Zudem mag ja die Blockbildung ihre Funktion haben, aber sie ist nicht auf alle Zeit festgeschrieben. In einer Demokratie sollte alles Verhandlungssache sein.
Eine »politische Zeitenwende«, wie auf tagesschau.de reißerisch aufgemacht wird (der Artikel ist dann durchaus differenzierter, aber wer liest das noch?), ist bei nüchterner Betrachtung nicht in Sicht. Aber sich zu beschränken auf das, was ist, scheint immer weniger eine Fähigkeit von Journalisten zu sein. Stattdessen schüren sie lieber Panik, zum Beispiel in dem sie von den Wahlergebnissen nur die Resultate der ersten drei Parteien zeigen und die Zugewinne der anderen, kleineren, nicht-radikalen Parteien ausblenden. Und so weiter.