A.d.L.e.R: Aus dem Leben einer Rikschafahrerin – Nr. 10
Es ist unvorstellbar, wie anstrengend es ist! Allein das Gewicht, und das ist noch lange nicht alles: die Rikscha (je nach Modell: 60 bis 140 Kilo), Werkzeug, Standluftpumpe, Proviant (durchschnittliche Tagesration: zwei Kilo Nudeln mit Soße, ein Kilo Nüsse, ein halbes Kilo Schokolade, fünf Liter Wasser oder andere Getränke), Decken, Kundschaft (statistisch: zwei Erwachsene = 160 Kilo), Tüten und Kartons (vom Einkaufen), Kinder zwischen 0 und 18 Jahren (aufm Schoß), kleinere, mittlere, große prallvollgepackte Reisekoffer, Hunde, Kinderwagen, Rollstühle, Laptops, Aktentaschen, Stative, Filmkameras. Da ist man schnell bei drei bis vierhundert Kilo, wo man nicht auf eine halbe Tonne kommt. Dazu der schlechte Zustand der Berliner Straßen. Unsere Repräsentierstraße Nummer eins, der Boulevard Unter den Linden, hat Schlaglöcher, in denen man bei Regen baden gehen kann. Man muss sich klar machen, dass jede Unebenheit im Straßenbelag, physikalisch gesprochen, ein Widerstand gegen die Fahrtrichtung ist, ein Angriff aufs Fortkommen, ein Rückschlag, den es mit doppelter Kraftanstrengung wett zu machen gilt. Auch der Zustand des Fahrzeugs entscheidet, wie lange man durchhält, wann der Punkt kommt, an dem man schlicht und ergreifend nicht mehr kann.
Dann muss man aufhören oder eine Pause machen. Ein Fahrzeug in schlechtem Zustand hat viel Reibung, und Reibung zehrt, Reibung kostet Kraft. Beispiel: Eine Acht im Rad kostet das achtfache der Kraft, die es ohne Acht gekostet hätte, daher der Name. Natürlich pflegen wir unsere Fahrzeuge und halten die Reibung so gering wie möglich. Eliminieren können wir sie nicht. Reibung ist immer da, das ganze Leben ist eine Reibung, und die Reibung in der Luft ist der Wind. Man denke an Fallschirme, an Segel, das sind die Kräfte, denen wir nicht nur standhalten, sondern gegen die wir vorwärtskommen müssen, und Wind ist meistens Gegenwind. Manchmal zwingen uns Böen mitten im Fahren zum Stehen. Dann wischen wir uns den windkalten Schweiß von der Stirn, und dann müssen wir wieder anfahren, müssen die Trägheit der Masse aufs neue überwinden, um aus dem Stillstand in die Bewegung zu kommen und weiter gegen den Luftwiderstand anzustrampeln.
Doch haben wir auch an den wunderbar windstillen Tagen reichlich zu leiden. Welch ein Irrtum, zu glauben, Berlin sei flach. Man halte sich vor Augen, dass Gewicht, schlechte Straßen und notorische Reibung einander aufs rücksichtsloseste multipizieren. Infolgedessen machen sich selbst schwache, auf dem Zweirad kaum merkliche Steigungen nur allzu schmerzlich fühlbar, und zwar als ein Ziehen nach hinten unten. Hier feiert die Schwerkraft Triumphe. Der Anfang der Stülerstraße, die Mitte der Rhododendronallee, das Ende des Bremer Wegs, es ist schlimm, schlimm, schlimm.
All dieses zusammengerechnet, (und unter diesen Umständen vielleicht auch noch problematische Kunden), all dies muss man versuchen, sich vorzustellen, wenn man wissen will, wie anstrengend es wirklich ist. Wir müssen uns den ganzen Winter über jeden Tag mindestens 3 Stunden lang in Trainingsfoltergeräte einspannen, damit wir in der Saison nicht zusammenbrechen. Allerdings können wir uns natürlich auch nicht vorstellen, wie man es aushalten kann, den ganzen Tag im Büro zu sitzen.
Sollte in Zukunft mal wieder »Kundenfrage Nr. 1 « gestellt werden, verweise ich einfach auf deine Website.
Liebe Steffi, ich hab’ schon mal 6 kg Nudeleintopf aufgestellt, wie willst du den denn haben? Als Konserve, tiefgekühlt oder als Instant?
ein bisschen von allem, danke ;)
Was hierbei noch interessant sein könnte, wäre die aufgeworfene Fragestellung, ob sich der Gefahrene der körperlichen Anstrengung der Rikschafahrerin bewusst ist oder ob sich letztere einer großen Ignoranz desbezüglich konfrontiert sieht. Oder ob die Fahrerin überhaupt keine Beachtung den Fahrgästen schenkt, da es wie bei Bus- oder Taxifahrern nur wildfremde Menschen sind, die tagtäglich einem zahlreich begegnen.
Natürlich gilt das nur, wenn Sie auch die Intention haben, etwas derartiges auszudrücken.
bin auch Philipp, unterscheide mich hier mal durch mein alias
als ceitmaschinennavigator »phila« siehe Bild auf http://phila.crew.c‑base.org/
bin wahnsinnlich beeindruckt von der Anstrengung bei den Rikschas
bin 72 (geb. 1938) und habe mich 72 Jahre unsinnlich angestrengt, um endlich mit der Arbeit fertig zu sein und die Freizeit beginnen zu können
mit Sachertorte, Cointreau, Cappucino, ohne Laptop
habe es schon einmal geschafft;
liebe Stephanie, lass Dich von einem Roboter adoptieren,
von so einem irrsinnlichen mit 8 Beinen,
der radelt Gast und Dich munter umher,
ich winke von meinem UFO aus
liebe Grüße und Küsse
phila