Ver­such über die Dicht­kunst im In­ka­reich (IV)

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Acht: Ly­ri­sche Gat­tun­gen; mit Schwer­punkt auf dem Lie­bes­lied so­wie ei­nem Ex­kurs über den Um­gang mit Lie­bes­leid und über an­di­ne Hoch­zeits­bräu­che.

Da uns die Chro­ni­sten Ge­be­te und Hym­nen in Pro­sa über­setzt ha­ben, zwei­feln man­che Au­toren an, dass der Vers über­haupt exi­stiert hat. Dies steht nun für mich au­sser Fra­ge; man weiss nur nicht, in­wie­weit die Über­tra­gun­gen an spa­ni­sche Me­tren an­ge­passt wur­den. Gar­ci­la­so spricht von „kur­zen und lan­gen Ver­sen“ und von „Sil­ben als Mass“. Wei­ter sagt Gar­ci­la­so: „No us­aron de con­so­nan­te en los versos, to­dos eran suel­tos.” Ich kann mir dar­auf nur ei­nen Reim ma­chen, wenn ich “con­so­nan­te” als “Gleich­klang“ über­set­ze, was dann hie­sse, dass kein Reim ver­wen­det wur­de.

Die ein­fach­ste und ur­sprüng­lich­ste ly­ri­sche Form ist wohl die t’inka, ei­ne kur­ze An­ru­fung oder ein Zau­ber­spruch, zu dem man ein klei­nes Op­fer brach­te für Frucht­bar­keit, Ge­sund­heit oder vor ei­ner Rei­se. Noch heu­te heisst das Lot­te­rie­los tin­ka, und im Lot­to zu ge­win­nen „sa­car la tin­ka“.

In den Ge­be­ten und Hym­nen an die Göt­ter wur­den oft ma­te­ri­el­le und mo­ra­li­sche The­men ge­mischt. Ei­ni­ge we­ni­ge Über­lie­fe­run­gen ha­ben wir von Cri­stó­bal de Mo­li­na, Ju­an San­ta Cruz Pachacútec und Fe­li­pe Hu­a­man Po­ma de Aya­la.

Ei­ni­ge der wich­tig­sten Gat­tun­gen um­fas­sen das Lie­bes­ge­dicht (ya­ra­wí); das Sie­ges- oder Tri­um­ph­lied, so­wie Kriegs­ge­sän­ge, um den Geg­ner ein­zu­schüch­tern (hayl­li); den Hel­den­ge­sang (atiy hayl­li); Ge­dich­te und Ge­sän­ge zur Land­wirt­schaft und Jagd (ha­ra­hu­ayo; ve­co­si­na und am­na im Zu­sam­men­hang mit Frucht­bar­keit; ai­ri­gua zur Mais­ern­te; ll­ama­ya, ein Hir­ten­lied; ay­ñu nach er­folg­rei­cher Jagd, oder auch ei­ne Art Ma­dri­gal – heu­te in der Folk­lo­re als hu­ay­no ge­läu­fig); ei­ne quä­len­de Aus­wahl an Trau­er­ge­sän­gen und Kla­ge­lie­dern, von de­nen man ei­ni­ge auch da­zu ver­wen­den kann, um Re­gen zu bit­ten (wan­ka, hua­ñu­pac ya­ra­wí, hua­ca­yl­li, hua­ca pa­ya­pu­ni); ele­gan­te ero­ti­sche Tän­ze (qhash­wa); hu­mo­ri­sti­sche Ge­dich­te mit Tier­fi­gu­ren (ar­an­way), wo­mit der Kreis zum Thea­ter wie­der ge­schlos­sen wä­re.

Kei­ne Gat­tung aber ist so viel­fäl­tig, sub­til, pla­stisch, aus­drucks­stark und von solch sug­ge­sti­ver Kraft wie das Lie­bes­ge­dicht, ya­ra­wí (was schlicht „Ge­dicht“ be­deu­tet und sich da­mit selbst den Eh­ren­platz ein­räumt). Mitt­ler­wei­le ist das ya­ra­wí (das zur In­ka­zeit oft pen­ta­to­nisch ge­sun­gen und auf der Flö­te be­glei­tet wur­de) in der me­sti­zisch ge­präg­ten Folk­lo­re auf­ge­gan­gen.

Vie­le Ge­dich­te han­deln von der fer­nen oder un­er­reich­ba­ren Ge­lieb­ten und sind fei­ner als Roh­sei­de, sie­he auch das dem Es­say vor­an­ge­stell­te Ge­dicht. Hier ein zeit­ge­nös­si­sches Ge­dicht aus Süd­pe­ru:

Abschied

Als Ge­gen­pol da­zu sind pi­kar­eske oder sa­ti­risch-bur­les­ke Ge­dich­te ty­pisch, in de­nen sich der Lie­ben­de selbst er­nied­rigt oder die sprö­de Ge­lieb­te an­klagt.

Zwei Mu­ster, wahr­schein­lich Volks­lie­der aus Süd­pe­ru (für kor­rek­te Wie­der­ga­be und Qua­li­tät der Über­set­zung die­ser und des obi­gen Ge­dichts kann ich nicht bür­gen! Sie sind aus dem Netz ge­klaubt, oh­ne Quel­len­an­ga­be und teils so grau­sig über­setzt, dass ich selbst noch dar­an flick­te – über die spa­ni­sche Zwi­schen­stu­fe no­ta­be­ne –, ob­wohl ich nur ei­ni­ge we­ni­ge Wör­ter im Ori­gi­nal ver­ste­he; Fe­li­pil­lo lässt grü­ssen!):

Zwei Volkslieder aus Südperu

Die (Selbst-)Ironie schraubt sich dann be­lie­big wei­ter ab­wärts ins Kru­de, Schwei­ni­sche, Schlüpf­ri­ge (und in die Ge­gen­wart), wie es et­wa in den vier­zei­li­gen, ge­reim­ten co­plas des car­na­val ca­ja­mar­qui­no sei­nen Nie­der­schlag fin­det, wo es bei­spiels­wei­se heisst: was für ein hüb­sches ge­sicht du hast / ich aber hab den bes­sern arsch / mit dei­nem ge­sicht machst du gar nichts / ich scheiss we­nig­stens mit mei­nem arsch. Der Car­na­val ist ei­ne ganz und gar me­sti­zi­sche In­sti­tu­ti­on, wohl­ver­stan­den. Aber ich wer­de den Ein­druck nicht los, dass die co­p­la in ih­rer dich­ten Form im ya­ra­wí wur­zelt, und dass ihr Hu­mor, ins Ex­pli­zi­te aus­ge­klappt, ein un­ter­grün­dig in­dia­ni­scher ist.

Au­to­chtho­ne Tän­ze auf dem süd­li­chen Alti­pla­no the­ma­ti­sie­ren das Lie­bes­wer­ben und Lie­bes­le­ben – recht ei­gent­lich ei­ne hand­fe­ste, toll­pat­schi­ge Schlä­ge­rei zwi­schen Mann und Frau (…ei­ne aus­agier­te co­p­la), und wenn er sie sich end­lich wie ein Kar­tof­fel­sack auf die Schul­ter wirft und vom Tanz­platz buckelt, muss er nicht mei­nen, ge­won­nen zu ha­ben, wie man dem wis­sen­den Ge­läch­ter des ein­hei­mi­schen Pu­bli­kums ent­neh­men kann. In je­ner Re­gi­on ist es üb­lich, dass ein Paar zu­erst ein Jahr lang zu­sam­men­lebt und „Ehe spielt“, erst da­nach wird ent­we­der über­schweng­lich ge­hei­ra­tet, oder man geht oh­ne wei­te­re Ver­pflich­tun­gen aus­ein­an­der. In den An­den Nord­pe­rus ist es ganz un­denk­bar, dass ein jun­ger Mann um die Hand sei­ner Ge­lieb­ten an­hält, denn er wird ih­ren El­tern nie­mals gut ge­nug sein. Al­so trifft er das Mäd­chen zu­fäl­lig am heim­lich ver­ab­re­de­ten Ort, ver­ge­wal­tigt sie, wo­bei sie sich zärt­lich zur Wehr setzt, aber doch so laut­stark, dass es zu­min­dest Oh­ren­zeu­gen gibt. Sie klagt ihn bei ih­ren El­tern an, die­se zie­hen die El­tern des Bur­schen zur Re­chen­schaft, es ent­steht ein lan­ges Pa­la­ver und Hin-und-Her, bis schliess­lich kei­ne an­de­re Lö­sung mehr bleibt, als dass die bei­den jun­gen Leu­te hei­ra­ten müs­sen.

So­wohl die un­er­füll­te, ver­zwei­fel­te oder ver­flos­se­ne Lie­be als auch die Ehe mit ih­rem gan­zen Ge­päck wird in den An­den über­aus prag­ma­tisch, fa­ta­li­stisch und selbst­iro­nisch ge­tra­gen und poe­tisch um­ge­setzt. Das hört man selbst noch in Re­de­wen­dun­gen und Sprich­wör­tern: Dem Him­mel über der Si­er­ra, dem Hin­ken des Hun­des und den Trä­nen ei­ner Frau soll man nicht trau­en! Und das al­les, oh­ne das ver­letz­li­che Pul­ver auf den Flü­geln des Min­ne­schmet­ter­lings mit gar­sti­gen Pfo­ten zu zer­stö­ren (dick auf­zu­tra­gen ist er­laubt, selbst mir!). Was die Spa­ni­er dann noch als Ge­würz bei­tru­gen, war ei­ne Pri­se Fla­men­co­glut und Blut­hoch­zeit.

Ap­pen­dix: zwei wei­te­re karna­val­eske co­plas, weil‘s so schön ist:

die­ser arsch ist nicht der mei­ne
er ge­hört der ha­ci­en­da
denn wenn das mein arsch wä­re
hätt ich ihm zü­gel an­ge­legt

dei­ne tau­be ha­be ich ge­sehn
durch ei­ne spal­te in der tür
und wie bin ich er­schrocken
so ein häss­lich tier zu sehn

Neun: Qui­pu, to­ca­pu, quill­ca: die wun­der­bar kom­ple­xe Mnemo­technik der In­kas; aber na­tür­lich schrie­ben sie! Ihr müsst nur mit den Fin­gern le­sen.

Da die Spa­ni­er die mei­sten qui­pus als Teu­fels­werk ver­brann­ten, sind uns bis heu­te nicht ein­mal tau­send Stück er­hal­ten (die mei­sten lie­gen in ei­nem Ber­li­ner Mu­se­um, zum Teu­fel!). Die äl­te­sten Fun­de stam­men aus der Aus­gra­bung Ca­ral so­wie aus an­ti­ken Städ­ten der Wa­ri; so­mit ist der qui­pu we­sent­lich äl­ter als das In­ka­reich und wur­de wohl von den In­kas über­nom­men und wei­ter­ent­wickelt.


(qui­pu. Quel­le: http://khipukamayuq.fas.harvard.edu)

Ein qui­pu (ru­na si­mi: „Kno­ten“) be­steht aus ei­ner Haupt­schnur und be­lie­big vie­len mit Kno­ten ver­se­he­nen Ne­ben­schnü­ren aus ge­färb­ter Wol­le, Haar oder Pflan­zen­fa­sern. Ge­si­chert ist, dass der qui­pu für Arith­me­tik, Sta­ti­stik und nu­me­ri­sche Re­gi­ster ver­wandt wur­de. Man hat so­gar – oh Graus! – sehr de­tail­lier­te Steu­er­rech­nun­gen an die Adres­se der Pro­vin­zen ge­fun­den. Die Macht der In­kas be­ruh­te nicht zu­letzt auf ih­rer ex­ak­ten Kennt­nis und Kon­trol­le der Be­völ­ke­rungs­zah­len, Vieh­be­stän­de, Ern­ten, Vor­rä­te etc. Das de­zi­ma­le Zah­len­sy­stem er­laub­te die Dar­stel­lung von min­de­stens fünf­stel­li­gen Zah­len (ein „Leer­schlag“ auf der Schnur ent­sprach der Zahl 0). Der quipu­ca­ma­yoc je­der Pro­vinz muss­te die ge­sam­te Buch­hal­tung aus­wen­dig im Kopf ha­ben und gab sie spä­ter an sei­nen Schü­ler, der meist zu­gleich sein Sohn war, wei­ter.

Es herrsch­te lan­ge (oder herrscht noch?) die Lehr­mei­nung vor, dass ein qui­pu oh­ne münd­li­chen Kom­men­tar nicht les­bar ge­we­sen sei, so dass der chas­qui (Mel­de­läu­fer) sich die­sen aus Zei­chen und Sym­bo­len be­stehen­den Kom­men­tar eben­falls mer­ken und bei der Sta­fet­ten­über­ga­be am näch­sten Tam­bo mit­samt den Schnü­ren wei­ter­rei­chen muss­te. Aber wie ging nun je­nes Kin­der­spiel der „Te­le­fon­ket­te“?! … Da kam doch im­mer et­was ganz Fal­sches raus?

Be­reits Gar­ci­la­so räumt ein, dass mit dem qui­pu wahr­schein­lich auch ab­strak­te Kon­zep­te aus­ge­drückt wer­den konn­ten, und dass ne­ben der staat­li­chen Buch­hal­tung durch­aus auch ge­schicht­li­che Er­eig­nis­se, Be­rich­te über Schlach­ten, di­plo­ma­ti­sche Ge­sprä­che, Ge­set­zes­tex­te und so­gar li­te­ra­ri­sche Er­zäh­lun­gen und Ge­dich­te fest­ge­hal­ten wur­den. „Was sich nicht in Zah­len aus­drücken liess, lern­te der quipu­ca­ma­yoc aus­wen­dig“, schreibt Gar­ci­la­so; aber auch: „Sie sag­ten al­les in Ver­sen, was sie nicht in Kno­ten aus­drücken konn­ten.“ Es schien sich um ein mne­mo­tech­ni­sches Sy­stem zu han­deln, das viel­leicht gar nicht so strikt zwi­schen „schrift­lich“ und „münd­lich“ un­ter­schied. Ei­ne „Ver­knüp­fung“ im wahr­sten Sinn des Wor­tes, ei­ne As­so­zia­ti­ons­ket­te von Kno­ten zu Hand zu Ge­dächt­nis zu Mund; Gar­ci­la­so er­klärt es an­schau­lich an­hand der zehn Ge­bo­te: „Wenn wir die Num­mer des Ge­bo­tes hö­ren, wis­sen wir, was es uns ge­bie­tet.“

Der qui­pu war nicht das ein­zi­ge In­stru­ment die­ser Art. Für die rei­ne Arith­me­tik gab es die yu­pa­na, ei­ne Art Aba­kus, de­ren Ge­brauch je­doch bis heu­te nicht re­kon­stru­iert wer­den konn­te. Quill­cas sind ge­mal­te Pe­tro­gly­phen, und to­ca­pus recht­ecki­ge, geo­me­tri­sche Or­na­men­te auf Tex­ti­li­en und Ke­ra­mik­ge­fä­ssen, die je nach Po­si­ti­on und An­ord­nung Ideo­gram­me für Wor­te oder Kon­zep­te dar­stel­len. Be­stimmt ist die Idee, der qui­pu sei ein rein rech­ne­ri­sches Hilfs­mit­tel, viel zu kurz ge­grif­fen. Denn da­für hät­ten ja quill­cas und to­ca­pus al­lein aus­ge­reicht, mit de­nen die quill­ca­ma­yoc (meist ei­ne Frau) ope­rier­te. Sie war ver­ant­wort­lich für die Ver­wal­tung und Or­ga­ni­sa­ti­on der Vor­rats­la­ger und der Tam­bos – Rast­stät­ten und Mel­de­läu­fer-Sta­tio­nen –, die an al­len wich­ti­gen Ver­kehrs­we­gen des Im­pe­ri­ums im Ab­stand von 20 bis 30km in Be­trieb wa­ren. Die quill­ca­ma­yoc ar­bei­te­te mit dem dem je­wei­li­gen Pro­vinz-quipu­ca­ma­yoc eng zu­sam­men, hat­te selbst aber kei­ne Aus­bil­dung im Knüp­fen und Le­sen der qui­pus.


(Links: qui­pu. Il­lu­stra­ti­on von Fe­li­pe Hu­a­man Po­ma de Aya­la (…was ist das links un­ten?!). Rechts: to­ca­pus auf Tex­til. Quel­le: http://isites.harvard.edu)

Die Ka­pa­zi­tät des qui­pu müss­te für ei­ne voll­stän­di­ge Schrift bei wei­tem aus­ge­reicht ha­ben: die Haupt­schnur konn­te von 30cm bis zu meh­re­ren Me­tern mes­sen, und es wur­den qui­pus mit über tau­send Ne­ben­schnü­ren ge­fun­den. Nimmt man da­zu die ver­schie­de­nen Län­gen und Stär­ken der Ne­ben­schnü­re, Far­ben, Di­stan­zen zwi­schen den Kno­ten und de­ren Po­si­tio­nen so­wie die viel­fäl­ti­gen Kno­ten­ty­pen (am häu­fig­sten wa­ren Über­hand­kno­ten, Ka­pu­zi­ner­kno­ten und Ach­ter­kno­ten), so er­ge­ben sich meh­re­re Mil­lio­nen Kom­bi­na­tio­nen. Braille, als be­kann­te­ste mo­der­ne tak­ti­le Schrift, die der Schreib­schrift oh­ne Ein­schrän­kung eben­bür­tig ist, nimmt sich da­ge­gen ge­ra­de­zu lä­cher­lich be­schei­den aus.

1979 stell­te Wil­liam Burns Glynn die Hy­po­the­se der al­pha­nu­me­ri­schen Schrift auf, bei der ei­ne Zahl ei­nem Kon­so­nan­ten ent­spricht und zu­dem je­weils äqui­va­lent ist zu ei­nem be­stimm­ten to­ca­pu – die to­ca­pus wä­ren dem­nach in­te­gra­le Be­stand­tei­le ei­ner Schrift.

In Sci­ence er­schien 2005 ein Ar­ti­kel von Ga­ry Ur­ton (Spitz­na­me „String Theo­rist“) und Car­rie J. Bre­zi­ne, An­thro­po­lo­gen aus Har­vard, de­nen erst­mals die Ent­zif­fe­rung ei­nes nicht-nu­me­ri­schen Ele­ments ge­lang: das To­ponym des Dor­fes Pu­ru­chuco, aus­ge­drückt in drei acht­fa­chen Kno­ten.

Ein­woh­ner ab­ge­le­ge­ner Ge­mein­den in den An­den er­zäh­len seit je her, sie kenn­ten die Dorf­chro­nik „schrift­lich aus Schnü­ren“. Es wird wohl end­lich Zeit, dass wir ih­nen glau­ben!

Ich stel­le mir das so vor: der quipu­ca­ma­yoc, nach sei­ner lan­gen, her­me­ti­schen Aus­bil­dung im yachay­hua­si, knüpft vor mei­nen Au­gen ei­nen qui­pu, noch schnel­ler, als mei­ne Gross­mutter je­mals strick­te. Er nutzt mein Stau­nen aus und ar­miert ein bei­nah scha­ma­nisch an­mu­ten­des Thea­ter, in­dem er wich­ti­ge Mie­ne macht, die Lip­pen un­auf­hör­lich be­wegt, die Fin­ger über die Kno­ten lau­fen lässt und zu­gleich die Or­na­men­te auf der Tas­se ab­scannt, in der mein ma­te de co­ca dampft, und dann er­zählt er mir ein bun­tes Pan­ora­ma der ge­sam­ten Ge­schich­te und Wirt­schaft der Pro­vinz, in der ich ge­ra­de an­ge­kom­men bin, und prä­sen­tiert mir au­sser­dem noch dro­hend mei­ne of­fe­ne Steu­er­rech­nung. Und wenn ich sa­ge, „lass mich auch mal!“, dann reicht er mir viel­leicht läs­sig den qui­pu, oh­ne ihn aus der Hand zu ge­ben na­tür­lich, und er­klärt mir, dass die gel­be Schnur „Gold“ be­deu­tet und die ro­te „Krieg“, dass al­so in der Mi­ne 102 La­ma­la­dun­gen Erz ge­schürft wor­den sei­en, und guck hier!, rot, zwei Zeh­ner, sechs Ei­ner: bei dem Schar­müt­zel ge­gen die Chach­apoy­as letz­te Wo­che sind 26 Krie­ger ge­fal­len. Ich den­ke: oh, hur­ra, ich kann‘s schon!, ist ja ganz ein­fach!, und der quipu­ca­ma­yoc denkt: he­hee! Wo kä­men wir denn da hin, wenn Kre­ti und Ple­ti le­sen und schrei­ben könn­te!

Mi­guel Án­gel Cal­vo Ro­drí­guez, Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie und Lo­gik in Pe­ru und Gross­bri­tan­ni­en, hat das Pferd beim Schwanz auf­ge­zäumt und (pri­mär für Blin­de) ein lo­gi­sches Sy­stem ent­wickelt, mit dem ein voll­stän­di­ger sprach­li­cher Aus­druck mit­tels Kno­ten­schnü­ren in al­len Spra­chen mög­lich ist. Und nicht nur das: bei­spiels­wei­se lässt sich da­mit auch die In­te­gral- und Dif­fe­ren­ti­al­rech­nung mei­stern. (Ich ha­be das Buch lei­der nicht – ich über­neh­me kei­ne Ver­ant­wor­tung, wenn es nicht funk­tio­niert! Aber ich glau­be dem Au­tor so­fort.)


(“As you li­ke it” in qui­pu. Quel­le: http://www.quipus.co.uk)

Ma­chen wir die Sa­che rund und schlie­ssen mit ei­nem Ge­dicht, das der sa­gen­um­wo­be­ne Je­sui­ten­pa­ter Blas Va­lera, auf den sich Gar­ci­la­so oft (und im­mer mit ei­ner Ver­beu­gung) be­zieht, „in den Schnü­ren fand“:

Blas Valeras Fund

We­der der Astro­lo­gie, des ru­na si­mi noch des La­tei­ni­schen kun­dig, wa­ge ich es nicht, ei­ne drit­te Über­set­zung ins Deut­sche vor­zu­neh­men. Statt­des­sen über­set­ze ich oh­ne Kunst­fer­tig­keit, aber nach be­stem Wis­sen und Ge­wis­sen, was Gar­ci­la­so zu die­sem Ge­dicht er­klä­rend schrieb. Er, der mich so treu durch die­se Ar­beit be­glei­tet hat, soll hier das letz­te Wort ha­ben, in der Hoff­nung, er mö­ge mir ver­zei­hen, dass ich so nach­tra­gend bin. Mein Es­say, In­ca, ver­dient es nicht, mit Dei­nen Ju­we­len ge­schmückt zu wer­den!

Co­men­ta­ri­os rea­les, Band I, zwei­tes Buch, 27. Ka­pi­tel: La poe­sía de los In­cas amautas, ques son filóso­fos, y ha­r­aue­cos, que son poe­tas (Aus­zug):

    In den Un­ter­la­gen des P. Blas Va­lera fand ich wei­te­re Ver­se, die er Spon­de­en nennt, al­le sind vier­sil­big im Un­ter­schied zu je­nen an­de­ren, die vier- oder drei­sil­big sind (ge­meint ist das als Mot­to vor­an­ge­stell­te Ge­dicht). Er schreibt sie auf In­dia­nisch und auf La­tein; sie han­deln von der Astro­lo­gie; die Poe­ten kom­po­nier­ten sie, um über die cau­sa se­cun­da zu phi­lo­so­phie­ren, die Gott in den Lüf­ten zur Er­zeu­gung von Don­ner, Wet­ter­leuch­ten und Blit­zen an­sie­del­te, so­wie von Ha­gel, Schnee und Re­gen; dies al­les ga­ben sie in Ver­sen zu ver­ste­hen, wie wir se­hen wer­den. Sie dich­te­ten die fol­gen­de Fa­bel nach: Es heisst, der Schöp­fer ha­be im Him­mel ein Mäd­chen ge­macht, ei­ne Prin­zes­sin. Sie hält ei­nen Krug voll Was­ser, den sie auf die Er­de aus­gie­ssen soll, so­bald Dür­re droht, und den ei­ner ih­rer Brü­der vor­zei­tig zer­bricht, so dass es plötz­lich don­nert, wet­ter­leuch­tet und blitzt. Sie sa­gen, dass Män­ner dies ver­ur­sa­chen, weil es Ta­ten wil­der Män­ner sei­en und nicht die­je­ni­gen zar­ter Frau­en. Sie sa­gen, dass das Mäd­chen Ha­gel, Re­gen und Schnee ma­che, weil die­se zar­ter und wei­cher sei­en und von gro­ssem Nut­zen; sie sa­gen, dass ein In­ka-Po­et und ‑Astro­lo­ge die­se Ver­se ge­dich­tet und ge­spro­chen und dar­in die Grö­sse und Tu­gend der Da­me ge­lobt ha­be, und dass Gott die Prin­zes­sin ge­ge­ben ha­be, da­mit sie an den Le­be­we­sen der Er­de Gu­tes tue.
    [...]
    Ich er­in­ne­re mich, die­se Fa­bel in der Kind­heit ge­hört zu ha­ben, ne­ben vie­len an­de­ren, die mir mei­ne Ver­wand­ten er­zähl­ten; aber als Kind und Ju­gend­li­cher ha­be ich sie nicht nach der Be­deu­tung ge­fragt, und sie ha­ben es mir nicht er­klärt. Für je­ne, die we­der In­dia­nisch noch La­tein ver­ste­hen, ha­be ich es ge­wagt, die Ver­se auf Ka­sti­lisch zu über­set­zen, wo­bei ich mich mehr an die Spra­che hal­te, die ich mit der Mut­ter­milch ein­sog, als an die frem­de Spra­che La­tein; denn das We­ni­ge, das ich von ihr weiss, lern­te ich im Kriegs­feu­er mei­ner Hei­mat, zwi­schen Waf­fen und Pfer­den, Pul­ver­dampf und Ar­ke­bu­sen, von de­nen ich mehr ver­stand als von der Dicht­kunst. P. Blas Va­lera imi­tiert auf La­tein die vier in­dia­ni­schen Sil­ben in je­dem Vers; und er hat sehr gut imi­tiert; ich ha­be dies nicht ge­tan, weil man das Me­trum im Ka­sti­li­schen nicht ein­hal­ten kann, und weil man die vol­le Be­deu­tung der in­dia­ni­schen Wör­ter über­set­zen muss. Ñu­sta be­deu­tet Mäd­chen von kö­nig­li­chem Blut, ge­rin­ger darf man es nicht in­ter­pre­tie­ren; zu ei­nem ge­wöhn­li­chen Mäd­chen sa­gen sie taz­que; ein Dienst­mäd­chen nen­nen sie chi­na. Ill­pan­tac ist ein Verb, das drei Be­deu­tun­gen hat: don­nern, wet­ter­leuch­ten und blit­zen.
    [...]
    Unu heisst Was­ser; pa­ra, reg­nen; chi­chi, ha­geln; ri­ti, schnei­en. Pacha­ca­mac ist der­je­ni­ge, der mit dem Uni­ver­sum das­sel­be tut wie die See­le mit dem Kör­per. Vi­ra­co­cha ist der Na­me ei­nes mo­der­nen Got­tes, den sie an­be­te­ten, und des­sen Ge­schich­te wir spä­ter im De­tail be­han­deln wer­den. Chura be­deu­tet set­zen / stel­len / le­gen. Ca­ma heisst See­le ein­hau­chen, Le­ben, Sein und Sub­stanz.
    [...]
    Die­ses (Ge­dicht) ha­be ich hier ein­ge­fügt, um mei­ne arm­se­li­ge Ge­schich­te et­was an­zu­rei­chern, denn mit Si­cher­heit kann man sa­gen, dass al­les, was P. Blas Va­lera schrieb, Per­len und Edel­stei­ne sind: mei­ne Hei­mat ver­dien­te es nicht, mit ih­nen ge­schmückt zu wer­den.

© Ur­su­la Ti­mea Ros­sel

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  1. QUELLEN

    Re­fe­ren­zen:

    - An­onym: Ol­lan­tay. Dra­ma quechua en ca­stel­lano, ver­sión de Jo­sé Se­ba­stián Bar­ran­ca. En pro­sa y ver­so en 3 ac­tos. Li­ma, 1996.

    - Aven­da­ño, Án­gel: Me­di­ci­na Po­pu­lar Quechua. La re­bel­lión de los mall­kis. An­ta­wa­ra Edi­to­res, Li­ma, 2000 (zwei­te Auf­la­ge).

    - Cal­vo Ro­drí­guez, Mi­guel Án­gel: Ma­nu­al of wri­ting in Qui­pus – A sy­stem of wri­ting for the blind. On­line als käuf­li­ches pdf ), 2008.

    - Dun­kel, Win­fried: Quechua für Pe­ru-Rei­sen­de, Kau­der­welsch Band 36. Rei­se Know-How Ver­lag Pe­ter Rump, Bie­le­feld, 1997 (drit­te Auf­la­ge).

    - Es­calan­te Sán­chez, Víc­tor: tra­di­tio­nel­le co­plas des car­na­val ca­ja­mar­qui­no. Münd­li­che Mit­tei­lung, 2009.

    - Es­pi­no­za So­ria­no, Wal­de­mar: Los In­cas. Eco­no­mía, so­cie­dad y estado en la era del Ta­huan­tin­suyo. Ama­ru Edi­to­res, Li­ma, 1997 (drit­te Auf­la­ge).

    - Kauff­mann-Doig, Fe­der­i­co: In­tro­duc­ción al Perú an­ti­guo. Una nue­va per­spec­ti­va. Kom­paktos Edi­to­res, Li­ma, 1990/91.

    - Li­en­hard, Mar­tín: La voz y su huella: Escri­tu­ra y con­flic­to ét­nico-so­cial en Amé­ri­ca La­ti­na (1492 – 1988). Edi­cio­nes Ca­sa de las Amé­ri­cas, La Ha­ba­na, 1990.

    - Pé­rez Car­ras­co, Mau­ro: Kech­wa o Ru­na-Si­mi, idio­ma im­pe­ri­al del Ta­wan­tin-Suyo. Apren­da­mos pa­ra pe­rua­ni­zar más al Perú. Li­bre­ría-Dis­tri­bui­do­ra Ben­de­zu, Li­ma.

    - Röss­ner, Mi­cha­el (Her­aus­ge­ber): La­tein­ame­ri­ka­ni­sche Li­te­ra­tur­ge­schich­te. Ver­lag J.B. Metz­ler, Stutt­gart und Wei­mar, 1995.

    - Sar­ki­sy­anz, Ma­nu­el (Her­aus­ge­ber): Vom Be­ben in den An­den – Pro­phe­ten des in­dia­ni­schen Auf­bruchs in Pe­ru. Ei­ne hi­sto­ri­sche Dar­stel­lung und An­tho­lo­gie. Dia­nus-Tri­kont Buch­ver­lag, Mün­chen, 1985.

    - Stö­rig, Hans-Joa­chim: Aben­teu­er Spra­che. Ein Streif­zug durch die Spra­chen der Er­de. Deut­scher Ta­schen­buch Ver­lag, 2003 (zwei­te Auf­la­ge).

    - Ur­ton, Ga­ry & Bre­zi­ne, Car­rie J.: Khipu Ac­coun­ting in An­ci­ent Pe­ru. Sci­ence, Vol. 309, no. 5737, pp. 1065 – 1067, Ame­ri­can As­so­cia­ti­on for the Ad­vance­ment of Sci­ence, Wa­shing­ton DC, 2005.

    - de la Ve­ga, Gar­ci­la­so (In­ca): Co­men­ta­ri­os rea­les, Band I. Edi­to­ri­al Mer­curio, Li­ma*.

    * Die­se Aus­ga­be ist nicht zu emp­feh­len, denn sie “mo­der­ni­siert und ver­ein­facht den Text so, dass er den mei­sten spa­nisch­spra­chi­gen Le­sern zu­gäng­lich wird”, oh­ne aber dar­zu­le­gen, auf wel­che Wei­se und wie stark in das Ori­gi­nal ein­ge­grif­fen wur­de.

    Di­ver­se Il­lu­stra­tio­nen bei You­tube:

    -       
    Zwei Schü­ler ru­fen Va­ter Son­ne und die Berg­gei­ster an (schlech­te Ton- und
    Bild­qua­li­tät, aber char­mant vor­ge­tra­gen)

    -       
    lei­der an­ony­mer mo­der­ner Dich­ter: „Ayl­luq ru­run“
    (ge­le­sen von ihm selbst)

    -       
    Os­wal­do Ca­stil­lo: „Wak­chaschay“ (Hu­ay­no)

    -       
    Luz­mi­la Car­pio: „Wi­ñayl­la­qta“
    (Car­pio wur­de 2006 von Evo Mo­ra­les als Bot­schaf­te­rin in Pa­ris
    ein­ge­setzt.)

    -       
    Con­de­may­ta de Aco­ma­yo: Chall­wua­schal­lay
    (ya­ra­wí, wie es eben nicht im Bu­che steht; bö­ser ca­ri­ñi­to!)

    -       
    Dra­ma „Ol­lan­tay“ in der Fe­stung Ol­lan­tay­tam­bo
    (Teil I von V – nicht dass man et­was ver­stün­de, aber es ver­mit­telt ei­nen
    Ein­druck von den „Frei­licht­spie­len“; At­mo­sphä­re wie beim Wil­helm Tell in
    In­ter­la­ken)

    -       
    „Ol­lan­tay“, Trai­ler ei­nes Schü­ler­films
    (lie­fert ei­ne pri­ma Zu­sam­men­fas­sung, je­den­falls wenn man den In­halt schon kennt)

    -       
    Klei­nes Pan­op­ti­kum des Car­na­val Ca­ja­mar­qui­no, mit (harm­lo­sen) co­p­la-Hör­pro­ben, spe­zi­ell ab
    Min. 3:40. (wer nach ei­nem Mo­nat car­na­val je wie­der aus dem Ka­ter er­wacht, ist im We­sent­li­chen
    un­töt­bar)

    -       
    An­gel Aven­da­ño: In­ter­view TV Pe­ru
    (zu sei­nem hi­sto­ri­schen Ro­man über Tu­pac Ama­ru mit ei­ner in­ter­es­san­ten
    Er­läu­te­rung des nicht-li­nea­ren Zeit­ver­ständ­nis­ses ge­gen En­de des Ge­sprächs)


  2. @La Tor­tu­ga
    Das Wo­chen­en­de naht und da­mit die Mu­ße, den letz­ten Teil zu le­sen. LG

    ( Was macht die Neu­gier­de ( zum an­de­ren The­ma), ist es zum Aus­hal­ten? Oder muss ich den Not­fall­kof­fer be­reit­hal­ten?)

  3. Auf­satz
    – Die Schnur­spra­che hat mit neu­gie­rig ge­macht, jetzt wer­de ich Ih­ren ge­sam­ten Auf­satz wohl doch le­sen mues­sen (des­sen Um­fang mich zu­naechst ab­ge­schreckt hat, ob­wohl er mich von An­fang an schon in­ter­es­sier­te) – Vie­len Dank schon ein­mal im Vor­aus fuer die Mue­he aber wahr­schein­lich auch Freu­de, die sie beim Schrei­ben hat­ten (letz­te­res wird sich ja viel­leicht auch auf den Le­ser ueber­tra­gen..)

  4. @ lou-sa­lo­me, es ist nicht zum Aus­hal­ten! Sie ah­nen nicht, wo­mit ich mich so al­les ab­len­ke, um nicht dau­ernd um die­se un­ge­heu­er­li­che Fra­ge zu ro­tie­ren. :-)

    @ Phor­k­yas, um­ge­kehrt herz­li­chen Dank für das In­ter­es­se. Das stei­gert na­tür­lich die Freu­de. Wie soll ich sa­gen, ich freu­te mich am Zu­sam­men­tra­gen des Ma­te­ri­als, am The­ma an sich, am Ar­ran­gie­ren, Spe­ku­lie­ren usw. – we­ni­ger am Schrei­ben selbst, eben weil mir Sach­tex­te nicht be­son­ders lie­gen. Aber als (mit »ge­nü­gend« be­stan­de­ne) Zwi­schen­prü­fung im Fach Dis­zi­plin wie­der­um ein Freu­den­klötz­chen. Ja doch, Freu­de über­wiegt.

  5. @ Gre­gor, ha­haa, ja, ich stau­ne auch oft, dass nach Wör­tern ge­goo­gelt wird, von de­nen ich glaub­te, ich hät­te sie er­fun­den. So ein Mist ei­gent­lich. :-)

  6. Auf­satz
    Ac­abo de leer su en­sayo y re­sul­tó co­mo lo es­pe­ra­ba: un flu­jo re­la­jan­te me lle­vo por el mun­do (ca­si) des­co­no­ci­do de los in­cas – de­jan­do atras el len­gua­je pol­vori­en­te, la ob­li­ga­ción ci­en­tí­fi­ca de exac­ti­dud fing­ida me re­galó unas an­ec­do­tas y de­tal­les pa­ra con­tar­las a qui­en me no im­pi­da...

    Ach, mein Spa­nisch ist schon all­zu ein­ge­ro­stet – Aber ich woll­te mir doch die Mü­he ma­chen (so weck­te der Text auch die Sehn­sucht, mein brach­lie­gen­des Spa­nisch wie­der zu be­ackern,.. da­bei ha­be ich es mo­men­tan ja mit Rus­sisch nicht übers Al­pha­bet ge­bracht und heil­los über­for­dert – das ähn­lich schön klingt, fin­de ich, aber wohl lei­der et­was schwie­ri­ger ist). Äh ja, ich wün­sche Ih­nen viel Spaß au­ßer­halb die­ser mei­stens-Zeit­raub-und-un­be­frie­digt-zu­rück­las­sungs-ma­schi­ne. – Wenn man den An­deu­tun­gen folgt wird man ei­ni­ge Ih­rer Tex­te bald auf Pa­pier er­wer­ben kön­nen?

  7. @La Tor­tu­ga
    Nun ha­be ich lan­ge ge­braucht, um end­lich ein paar Wor­te zu Pa­pier zu brin­gen, bzw. ei­nen qui­pu zu knüp­fen, um an sei­ner min­de­stens drei Me­ter lan­gen Haupt­schnur vie­le vie­le Ne­ben­schnü­re zu kno­ten, je­de Schnur in gel­ber Far­be. Denn Ihr Es­say ver­dient ei­ne Men­ge Gold!
    Ich ha­be viel Wis­sens­wer­tes er­fah­ren.
    Was die­ses Es­say so le­ben­dig macht, ist ei­ner­seits die un­kom­pli­zier­te Art der In­for­ma­ti­ons­über­mitt­lung und an­de­rer­seits die far­bi­ge Aus­stat­tung des In­halts. Es ist nie lang­wei­lig ge­wor­den oder ge­schwei­ge denn trocken. Mei­ne an­fangs ge­äu­sser­ten Be­den­ken zur Spra­che ha­ben sich über­haupt nicht be­stä­tigt!
    Und da­für, dass es so gut wie kei­ne historischen/geschichtlichen Quel­len mehr gibt, sind die­se Sei­ten wirk­lich ei­ne Fund­gru­be.
    Was ich glau­be, nun end­lich ver­stan­den zu ha­ben, ist die Hand­ha­bung der qui­pus. Der Ver­gleich mit der Braille­schrift hat mir sehr ge­hol­fen, auch die As­so­zia­ti­ons­ket­te. (Heut­zu­ta­ge fin­det man ja Aus­sa­gen län­ge­ren In­halts als Bil­der­spra­che wie­der: nicht te­le­pho­nie­ren = stört, kein Eis mit in den La­den neh­men= kleckert, den Ra­sen nicht be­tre­ten= Hälm­chen bre­chen, usw. usw., ).
    Auch ge­fiel mir der sehr mo­der­ne An­satz der In­kas, erst­ein­mal mit sei­nem zu­künf­ti­gen Part­ner für ein Jahr „Ehe zu spie­len“, auf das el­ter­li­che Pa­la­ver hin­ter­her kann man/frau al­ler­dings gut ver­zich­ten.
    Wie scha­de, dass es kei­ne wei­te­ren Über­lie­fe­run­gen zum frü­he­ren Le­ben der In­kas gibt; viel­leicht schaf­fen es die heu­ti­gen In­tel­lek­tu­el­len die Dicht­kunst aus dem Jahr­hun­dert­schlaf wach­zu­küs­sen.

    Gar­ci­la­so hät­te si­cher sei­ne Freu­de an Ih­rem In­ka-Werk ge­habt :).
    LG lou sa­lo­me

  8. @La Tor­tu­ga
    Es ist doch so mit den Ge­heim­nis­sen: traue al­ler­höch­stens nur ei­nem ein­zi­gen Freund dein Ge­heim­nis an, je­der wei­te­re Mit­wis­ser er­höht die Ge­fahr des Ver­rats :)!
    Und das Ge­heim­nis hier On­line preis­zu­ge­ben geht ja über­haupt nicht, denn wie­vie­le le­sen mit? Eine‑r, zwei oder drei? Oder nicht doch ei­ne gan­ze Hun­dert­schaft? Ne, ne, das muss aus­ge­hal­ten wer­den bis es zu ei­nem Um­trunk kommt. Dann wer­de ich aus der Schu­le plau­dern. LG l‑s

  9. @Phorkyas, die­ses Spa­nisch scheint mir aber gar nicht ro­stig zu sein, im­mer vor­wärts mit dem Rus­si­schen! ... Das ich mir ein­fa­cher vor­stel­le, weil ich im­mer stau­ne, wie­viel man da ver­steht oh­ne ein Wort Rus­sisch zu kön­nen. Aber viel­leicht täuscht das ge­wal­tig. Ei­gent­lich ha­be ich mir das auch mal vor­ge­nom­men, so­bald ich in der La­ge bin, in mei­ner der­zei­ti­gen Lern­spra­che min­de­stens ei­ne Zei­tung zu le­sen, bloss wann wird das sein.
    Ja, es kommt Pa­pier – »bald« eher in an­di­nem Zeit­emp­fin­den als in un­se­rem. Ich date up, in mei­nem Still­stands­blog oder viel­leicht bald auf ei­ner Home­page.

    @ lou-sa­lo­me, dan­ke, dan­ke, dan­ke, wer­de ich die ro­ten Oh­ren noch los? Ein klein biss­chen har­sche Kri­tik wür­de auch nicht scha­den. :-) Ich hof­fe doch, dass Gar­ci­la­so im Gro­ssen und Gan­zen ein­ver­stan­den wä­re – falls er die har­sche Kri­tik mei­ner­seits schlucken könn­te. Ich glaub schon.
    Zur Ehe auf Pro­be muss ich noch sa­gen: ich weiss nicht, ob die­ser Brauch wirk­lich auf die In­kas zu­rück­geht – das wird heu­te in ei­ni­gen Re­gio­nen, ich glau­be vor al­lem in den süd­li­chen An­den, so prak­ti­ziert. So­was ähn­li­ches gab es ja auch bei den Kel­ten, da galt das Ehe­ver­spre­chen je­weils für ein Jahr und ei­nen Tag, dann wur­de es ge­ge­be­ne­n­en­falls er­neu­ert oder auf­ge­löst (wo­her die Re­de­wen­dung »auf Jahr und Tag« stammt). Ich fin­de das tat­säch­lich wun­der­bar.

    Und das Ge­heim­nis: be­steht denn gar kei­ne Chan­ce, dass ich die­ser ein­zi­ge Freund sein könn­te?! Pleeee­aa­se! Ob­wohl ich nicht ga­ran­tie­ren kann, dass so ein Ge­heim­nis bei mir si­cher wä­re, viel zu auf­re­gend wahr­schein­lich, um es nicht zu tei­len. He­heee. Wir kom­men um den Um­trunk mit­tel­fri­stig wohl nicht her­um. Che­ers! :-)

  10. @ tor­tu­ga
    Har­sche Kri­tik war ja gar nicht mög­lich. Ging über­haupt nicht!

    Und oha, oha, was ha­be ich nur mit die­sem Pseud­onym aus­ge­löst. Neu­gier­de und ei­nen wei­ßen Fleck auf der Land­kar­te ;).
    Ich mach’ mal n’en Vor­schlag: ich sto­sse hier und jetzt auf Brü­der- nein halt – Schwe­stern­haft an, Küss­chen rechts, Küss­chen links, hoch das Glas, ex und hopp, und ab jetzt bit­te per du wei­ter.
    ( Ich bin ein we­nig „alt­mo­disch“ mit der An­re­de, trotz mo­der­ner Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­nen). Und da ich nicht mehr bis nach Kan­ger­lus­suaq ro­deln muss, sieht es doch ganz rea­li­stisch aus, im eu­ro­päi­schen Sprach­raum mal so rich­tig um­zu­trin­ken. Che­ers zu­rück

  11. na dann,
    Prost, die Da­men! (-;

    @Tortuga: schrift­lich kann ich’s noch ka­schie­ren. Münd­lich war’s dann so ka­ta­stro­phal, dass die Spa­ni­er auf Eng­lisch um­ge­schwenkt sind. – Beim Rus­si­schen weiß ich es nicht. Pusch­kin u.a. ha­ben glau­be ich vie­le fran­zö­si­sche Lehn­wör­ter ein­ge­führt, die kom­men mir dann manch­mal auch be­kannt vor, aber viel­leicht ken­nen Sie ja auch schon ei­ne sla­wi­sche Spra­che..

    Ich le­se ger­ne von Ih­nen bei­den.

  12. @ lou-sa­lo­me (ha­haaa, je­des­mal wenn ich den Na­men tip­pe, fan­ge ich an zu zit­tern), ja das ha­be ich auch so mit dem Re­tro, im me­at­space wie im Netz, ich mag den Adel und die Ero­tik der Höf­lich­keits­form und so ganz ne­ben­bei drückt man da­mit die Ver­ach­tung für die zu­neh­men­de Ver­ro­hung der Sit­ten aus. Um­so schö­ner ist dann ein Du-An­trag – ich neh­me freu­dig an, und hoch die Tas­sen!
    Oh, ich wet­te, Rai­ner Ma­ria sen­det Dir sub­ti­le Bil­lets (oder schiebt sie gar un­ter dem Tür­spalt durch) an­statt pro­fa­ne Mails die mit mfg en­den. Mei­ne Mo­ti­ve hier­für http://jequetepeque.twoday.net/stories/6023228/ ge­hen durch­aus auch in die­se Rich­tung. :-)

    @ Phor­k­yas (... auch Ihr Pseud­onym macht mich üb­ri­gens über­aus neu­gie­rig!), ah ja, das tut wirk­lich weh, sel­bi­ges ist mir bei­spiels­wei­se schon in Frank­reich pas­siert. Ich war al­ler­dings sel­ber schuld, dass ich nicht so ganz ver­stan­den wur­de, denn ich woll­te Tee­beu­tel im Tan­te-Em­ma-La­den kau­fen und frag­te nach »sacs de té« statt »sa­che­ts«, das ist schon bar­ba­risch. :-)))
    Nein, nicht ei­ne ein­zi­ge sla­wi­sche Spra­che lei­der. Hof­fent­lich dau­ert das Le­ben noch ein klei­nes Weil­chen.

  13. Frei­zeit, Le­bens­zeit
    Hat der La­den­in­ha­ber sie Ih­re Bar­ba­rei denn auch spü­ren las­sen? (Ich hab ein biss­chen Angst, wenn es dem­nächst nach Frank­reich geht; be­herr­sche lei­der kein Wort Fran­zö­sisch..)

    Man soll­te den Leu­ten ge­nü­gend Frei­zeit oder Le­bens­zeit ge­ben, um min­de­stens fünf Spra­chen zu ler­nen (aber man­che wol­len viel­leicht gar nicht oder sind nicht so be­gabt, wie ich auch, die kön­nen sich dann ja an­de­re schö­ne Hob­bies zu­le­gen)

    - Im Faust II gab’s so ne lu­sti­ge Stel­le, wo der Teu­fel ir­gend­so ei­nem Mon­ster (den Phor­k­ya­den) nen Kopf ab­schwatzt und sich dann tie­risch auf­regt, weil er mit die­sem Schlan­gen­kopf nun zum Zwit­ter ge­wor­den ist (und ab da Phor­k­yas heißt)

  14. Ja, hat der La­den­in­ha­ber, durch ein über­aus rü­des Um­schwen­ken auf Eng­lisch – das wie­der­um ich nicht ver­stand, denn es war, mit Ver­laub, um ei­ni­ges schlech­ter als meins. Heim­li­che Ge­nug­tu­ung, he­hee.

    Ich glau­be kaum, dass ei­ne Mehr­heit die­se Ex­tra­zeit zum Spra­chen­ler­nen ver­wen­den wür­de. Und wenn schon: war­um nicht gleich be­zahl­te Ar­beits­zeit, z.B. in Form ei­ner Steu­er­erleich­te­rung? Im­mer­hin trägt Viel­spra­chig­keit viel zu ei­nem bes­se­ren Zu­sam­men­le­ben bei.

    Das ist ja lu­stig mit dem Mön­ster­chen – wä­re mal ein An­lass, end­lich end­lich den Faust II rein­zu­zie­hen. Ich bin bis jetzt noch trau­ma­ti­siert, weil un­se­re Deutsch­leh­re­rin am Gym­na­si­um be­haup­te­te, der sei viel zu hap­pig für jun­ge Dum­mer­chen wie uns. Ei­gent­lich ... ich bin jetzt si­cher nicht mehr zu jung (ob zu dumm, das wird sich wei­sen).

  15. Zum Faust II braucht man ein paar klu­ge An­mer­kun­gen. Dann geht’s. (Und man nimmt sich vor: Das liest man in zehn Jah­ren noch mal. Wenn man klü­ger ist. Und man dann we­nig­stens die An­mer­kun­gen ver­steht.)

  16. Das Pro­blem ist nur, ich has­se An­mer­kun­gen, lie­ber ver­pas­se ich et­was. Viel­leicht wer­de ich nur al­ters­faul.

    ... Wie lang sind bei Dir zehn Jah­re her? (Oder ist das zu in­dis­kret?)

  17. Es kommt ein biss­chen dar­auf an, wer die An­mer­kun­gen gibt und wie. Die zu Faust II ha­be ich ge­nos­sen; das ist ziem­lich ge­nau zehn Jah­re her (viel­leicht auch elf). An­ders ver­steht man heu­te die­ses Werk höch­stens zu 60% (okay, Du zu 80%).

  18. Men­nooooo, ich mag es nicht, so über­schätzt zu wer­den! Sa­gen wir mal, 80% wer­de ich nicht ver­ste­hen.
    An­mer­kun­gen ha­ben eben 2 Ha­ken: 1. Das ist so, als wür­de je­mand für mich das Oster­nest su­chen (weil ich da­für noch zu klein bin), das macht kei­nen Spass und ent­mün­digt. 2. Es hat manch­mal fau­le Ei­er drin, das mas­se ich mir an zu be­haup­ten, und zie­he dann mei­ne ei­ge­ne In­ter­pre­ta­ti­on vor; so ich denn ei­ne ha­be.

  19. Ent­mün­digt?
    Nein, im Ge­gen­teil: Je­mand steht mir zu Dien­sten! Je­mand, der mehr weiss als ich (mal hier, mal dort). Je­mand, der mehr re­cher­chiert hat. Und wenn die Ei­er faul sind – rie­chen kann ich ja noch!

  20. 50%iger Ge­nuss tut’s auch..
    Beim drit­ten An­lauf hab’ ich den gan­zen Sa­gen­krams ein­fach igno­riert und mich köst­lich amü­siert. Be­son­ders den Ho­mun­cu­lus, der in sei­nem Re­agenz­glas im­mer rum­zischt, konn­te ich mir bild­lich vor­stel­len – der Herr Goe­the muss er­le­se­ne gei­sti­ge Sti­mu­lan­ti­en ge­nos­sen ha­ben..

    Beim Step­pen­wolf hat mir der bei­geleg­te psy­cho­ana­ly­tisch-traum­deu­te­ri­sche Kom­men­tar das Le­se­ver­gnü­gen völ­lig zer­legt.

  21. Muss man nicht un­ter­schei­den zwi­schen dem was der Au­tor of­fen lässt, und der Le­ser fül­len muss, und dem was auf Grund des gänz­lich an­de­ren Zeit­ho­ri­zonts ei­nes Kom­men­tars be­darf (und das man viel­leicht auch an­ders deu­ten könn­te)?

  22. @metepsilonema
    Ge­ra­de in Faust II zeigt sich: Wir wis­sen so vie­les nicht mehr (bzw.: ich). Wir kön­nen die Be­zü­ge kaum noch oder gar nicht mehr ent­decken. Ich mei­ne das gar nicht re­si­gna­tiv oder ne­ga­tiv – un­ser Bil­dungs- bzw. Wis­sens­ka­non hat sich schlicht­weg ver­än­dert. Da­her sind die Kom­men­ta­re von Trunz (mei­ne Faust-Aus­ga­be) nicht be­vor­mun­den­ed in dem Sin­ne, dass ich ei­ne be­stimm­te Deu­tung ok­troy­iert be­kom­me, son­dern er­läu­ternd. Dort, wo sie Deu­tun­gen ab­ge­ben, kom­men meist meh­re­re Stim­men zu Wort.

  23. Kom­men­ta­re
    In dem Fal­le mag es wirk­lich hilf­reich sein. Al­ler­dings kann der Kom­men­tar, wenn er zu in­ter­es­sant und zu reich­hal­tig ist, den Le­se­fluss doch all­zu­sehr un­ter­bre­chen. (Das war beim Hes­se der Fall – und zu­dem ha­be ich mich dann über die blö­de Psy­cho­ana­ly­se ge­är­gert und über mich selbst, der ich nicht da­von ab konn­te, im­mer wie­der in den blö­den Kom­men­tar zu schau­en. – Da­her mei­de ich nun Kom­men­ta­re und auch Vor- bzw. Nach­wor­te, um ei­nen wei­tes­ge­hend un­ge­stör­ten Le­se­ein­druck zu ha­ben, was na­tür­lich auch ei­ne Il­lu­si­on ist – denn man liest ja meist ein Buch auf Emp­feh­lung etc. und hat so schon ge­wis­se Er­war­tun­gen...)

    Für mei­nen Fach­be­reich (beim Le­sen bin ich nur Pri­vat­di­let­tant) gilts auch: Mein Be­treu­er be­schwert sich, dass in den Dis­kus­sio­nen ge­wis­ses Grund­wis­sen schon nicht mehr vor­han­den sei. Da­für ist jetzt and­res schon fest im Ka­non (je­der Stu­dent lernt jetzt z.B. Quan­ten­me­cha­nik in ei­ner kla­ren For­mu­lie­rung und No­ta­ti­on, die sich viel­leicht erst in den letz­ten 20–30 Jah­ren durch­ge­setzt hat). Das Wis­sen und die Kennt­nis­se neh­men ja doch dra­stisch zu; wir wer­den ge­ra­de­zu über­schüt­tet mit ei­nem Mahl­strom an neu­en Pu­bli­ka­tio­nen, die zu le­sen schon nicht mehr mög­lich ist, die Fach­be­rei­che fa­sern auf... (Äh, doch schon Off-to­pic, sor­ry – aber mich würd’ in­ter­es­sie­ren, wie das wo­an­ders ist..)